Future Security 2014: Sicherheitsforschung ohne Grenzen

Drei Tage lang referieren in Berlin Sicherheitsforscher über ihren Kampf gegen mannigfalitige Bedrohungen durch Terroristen. Von der Sprengstoffdetektion bis zur Sicherheit der Nahrungsketten reicht die Palette der Themen.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Berliner Future Security der Fraunhofer-Gesellschaften gilt mittlerweile als führende Konferenz zur Sicherheitsforschung in Europa. Zahlreiche Projekte stellen auf ihr Ergebnisse oder Zwischenergebnisse vor. Im neunten Jahr der Veranstaltung ist "Resilienz" das Schwerpunktthema, definiert als Widerstand gegen Angriffe auf eine Gesellschaft, aber auch als Fähigkeit derselbigen, die Angriffe abzuwehren oder zu verkraften und möglichst schnell zum Alltagsleben zurückzukehren: Der Notfall soll dank guter Planung zum Nichtfall werden.

Richard Serino, Ex-Vizechef des US-Katastrophenschutzes FEMA, berichtete in seiner Key-Note über den Umgang mit dem Hurricane "Sandy".

(Bild: heise online/Detlef Borchers)

Der erfolgreiche Start des mit 33,4 Millionen Euro geförderten größten europäischen Forschungsprojektes DRIVER (Driving Innovation in Crisis Management for European Resilience) ist eines der Themen der Future Security 2014. Im Rahmen dieses Projektes wird Grundlagenforschung zum gesamteuropäischen Krisenmanagement betrieben. Mit DRIVER sollen in verschiedenen Ländern Europas "Testumgebungen" für das Krisenmanagement installiert werden, die dann im Ernstfall virtuell zusammengeschlossen werden können. Davon erwartet man sich Aufschlüsse darüber, wie unterschiedlich einzelne Länder auf eine identische Bedrohungslage reagieren und hofft, "unbeabsichtigte negative Auswirkungen" im Krisenfall vermeiden zu können.

Sicherheitsforschung ist immer "Dual-Use" in dem Sinne, dass auch innere Sicherheit und polizeiliche wie militärische Aktionen eingeschlossen sind. So wird die Future Security nicht nur vom Forschungs-, sondern auch vom Verteidigungsministerium unterstützt, deren Vertreter in diesem Jahre allerdings ihren Auftritt versäumten.

Wie Benjamin Scharte vom Projekt Resilien-Tech ausführte, sind der Klimawandel, der weltweite Terrorismus und die zunehmende Komplexität der Informationssysteme die drei Faktoren, die vom neuen Zweig der Resilienzforschung besonders untersucht werden. Immer geht es dabei um die Fähigkeit einer Gesellschaft, aus ihren Verletzlichkeiten zu lernen und nach einem Vorfall gestärkt weiter zu existieren.

"Recover better than before" müsse das Motto sein, wie es Richard Serino der ehemalige stellvertretende Leiter der US-amerikanischen Federal Emergency Management Agency (FEMA) formulierte. In seiner Eröffnungsrede berichtete der Katastrophenschützer, wie sich im Laufe seiner Amtszeit die Arbeit gewandelt hat. Bei seiner letzten Einsatzleitung während des Hurrikans Sandy verteilte seine Behörde 400 iPads und hatte so im Zusammenspiel mit Social Media-Nachrichten und Satellitentelefonen ein wesentlich präziseres Lagebild als in früheren Zeiten.

Der Vormittag des zweiten Konferenztages gehörte komplett US-amerikanischen Referenten, die vermitteln wollten, welch glänzende Geschäftsmöglichkeiten im Ausbau der Resilienz stecken. Was in Europa mit den Mitteln den 7. Rahmenforschungsprogrammes untersucht wird, wird in den USA von Public Private Partnerships gestemmt.

Zu den europäischen Projekten, die in Berlin präsentiert wurden, gehört mit Secure-ED ein Projekt, das die flexible Nutzung von Video-Informationen durch Leitstellen der Polizei und der Sicherheitsdienste untersucht. Im Rahmen eines Feldtestes in Madrid wurde das Bild einer gesuchten Person via LTE-Mobilfunk an alle städtischen Busse übertragen. "Kameras in den Bussen verglichen die Gesichter der einsteigenden Fahrgäste mit dem der gesuchten Person. Stimmte das Gesicht überein, gab das System eine automatische Nachricht an den Busfahrer und die Leitstellen aus", heißt es in der Erfolgsmeldung des Fraunhofer-Institutes für Arbeitsorganisation.

Die Sicherheitsforschung umfasst auch Gesellschaftsforschung. Sara Degli Esposti von der Open University stellte das Projekt SURPRISE vor, das mit detaillierten Vor-Ort-Interviews auf "Citizen Summits" untersucht, was europäische Bürger von Überwachungstechnologien wie Deep Packet Inspection, smarte Überwachungskameras und staatlicher Auswertung der Lokalisierunginformationen von Smartphones halten.

Die Studie leidet darunter, dass etwas selektiv gefragt wurde. So wurden etwa Dänen, Deutsche und Ungarn zu smarten Überwachungskameras gefragt, Spanier und Österreicher zur Deep Packet Inspection. Während all diese Technologien in Großbritannien (wo zu allen Themen Befragungen liefen) auf hohe Akzeptanzraten stießen, wurden sie in Deutschland und Österreich rundweg abgelehnt. (axk)