Legastheniker als Geheimdienstagenten begehrt

Der britische Geheimdienst GCHQ beschäftigt Menschen mit Dyslexie und Dyspraxie wegen ihrer unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten

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Welche Eigenschaften müssen Geheimdienstagenten haben? Das kommt natürlich ganz darauf an, wie sie eingesetzt werden. In der Regel setzen die Mitarbeiter vor Bildschirmen und bearbeiten Daten oder Informationen. Der britische Geheimdienst GCHQ beschäftigt, wie die Sunday Times berichtete, eine Gruppe von etwa 120 Menschen mit Legasthenie (Dyslexie) und Bewegungsstörungen (Dyspraxie).

Angeblich sind die neuronal unterschiedlichen Agenten wichtig für den Kampf gegen den Terror, weil sie andere kognitive Fähigkeiten besitzen. So hätten die Menschen mit Legasthenie zwar Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, könnten aber gut aus Mustern oder Ereignissen Informationen entdecken und herausholen. Der britische Geheimdienst nutze sie, um komplexe Informationen auf "kühle, logische und analytische" Weise zu nutzen.

Der Vorsitzende der Unterstützungsgruppe für GCHQ-Angestellte mit Dyslexie und Dyspraxie erklärte, dass er langsamer lesen könne, dass seine Rechtschreibung und auch seine Handschrift zu wünschen lassen, aber "meine 3D-Raumwahrnehmung und –Kreativität gehört zum ersten Prozentmeiner Bezugsgruppe".

Im Grunde haben damit Menschen, die hier als "neuronal unterschiedlich" vom Durchschnitt eingestuft werden (neuro-diverse), auch wenn sie eine normale Intelligenz besitzen, eben nicht nur bestimmte kognitive Mängel, etwa eine "Lese- und Rechtschreibschwäche" bzw. eine Lese- und Rechtschreibstörung, sondern womöglich auch überdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten auf anderen Gebieten. Das scheint zumindest die Ansicht des britischen Geheimdienstes zu sein: "Neuronal unterschiedliche Menschen können dem vollen Spektrum der Rollen und Jobs in der ganzen Abteilung einen Zusatznutzenbringen", erklärte ein GCHQ-Mitarbeiter.

Legasthenie sollen etwa 4-8 Prozent aller Kinder, Dyspraxie 8-10 Prozent haben. Beide "Störungen" können den Schulerfolg mit Folgen für das weitere Leben erschweren. Legasthenie gilt im Gegensatz zur Dyspraxie als gut behandelbar, wenn sie frühzeitig erkannt wird. Die Frage wäre, wenn der britische Geheimdienst richtig liegt, ob man mit der Behandlung der Legasthenie nicht nur die Schwäche im Hinblick auf die Schriftkultur mindert, sondern auch die eventuell vorhandenen Stärken auf anderen Gebieten. An Menschen mit Dyskalkulie scheint man aber beim britischen Geheimdienst nicht interessiert zu sein.