Juristen: Anti-Terror-Datei muss nachgebessert werden

Rechtsexperten haben in einer Anhörung im Bundestag den Abgeordneten teils große, teils kleinere Korrekturen am Regierungsentwurf zur Änderung der Anti-Terror-Datei empfohlen. An manchen Stellen knirsche es gewaltig.

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Staats- und Polizeirechtler waren sich in einer Expertenbefragung im Bundestag am Montag uneins über den Nachbesserungsbedarf am umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novelle der Anti-Terror-Datei (ATD). Vor allem bei den geplanten Regeln zur erweiterten Suche nach Verdächtigen und zum Zugriff auf umfassende Datenbestände im Eilfall "knirscht es überall", warnte Clemens Arzt, Direktor des Forschungsinstituts für öffentliche und private Sicherheit der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Schon das Bundesverfassungsgericht, das im Frühjahr 2013 einzelne Vorschriften des ursprünglichen ATD-Gesetzes kippte, habe sich "in feinste Normen verirrt", monierte Arzt. Dem sei die Regierung nun "willig gefolgt", obwohl "das gesamte Instrument rechtsstaatlich auf den Prüfstand gehört". Der von Karlsruhe zögerlich hochgehaltene Zweckbindungsgrundsatz, der einen Austausch von Daten zwischen Polizeien und Geheimdiensten einschränken solle, sei schon heute "im Sicherheitsbereich so löchrig wie ein Schweizer Käse".

Selbst vom Verfassungsgericht deutlich angeregte Korrekturen hat die Regierung Arzt zufolge nicht immer aufgegriffen. So wolle Karlsruhe die zu Kontaktpersonen gespeicherten Angaben etwa auf "Elementardaten" beschränkt wissen. Der Entwurf verstehe darunter weiter aber zum Beispiel umfangreiche Telekommunikationsinformationen. Vor allem besuchte Webseiten zu speichern sei dabei "problematisch im Blick auf die Meinungsfreiheit". Praktisch nicht umsetzbar seien auch die Prüfkompetenzen für Datenschützer von Bund und Ländern.

Als "verfassungsrechtliches Malen nach Zahlen" kommt dem Mannheimer Staatsrechtler Matthias Bäcker der bisherige Gesetzgebungsprozess vor: Da könne man eben auch mal daneben hauen oder Felder frei lassen. Besonders "frappierend" sei, dass die informationelle Trennung zwischen Strafverfolgern und Schlapphüten für bestimmte Rechercheprojekte "praktisch vollständig aufgehoben" würden. Das Verfassungsgericht habe hier deutliche Zeichen gegeben, eine entsprechende Grenze im Verfassungsschutzgesetz einzuziehen; diese werde "nicht annähernd" eingehalten.

Bäcker erinnerte daran, dass Daten aus der Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendiensts (BND) in der ATD zu speichern zumindest mit einem "rechtlichen Makel" behaftet sei. Zudem müsse das Landesrecht so ergänzt werden, dass der BND und der Militärische Abschirmdienst (MAD) Informationen aus der Datei übermitteln dürften.

Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Würzburg, sieht den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts "im Wesentlichen erfüllt". Es seien zwar "Experimente der Gesetzgebung", das "verfassungsrechtliche Restrisiko" könne aber mit Klauseln zum Evaluieren oder Befristen "minimiert" werden.

Aus der Praxis warb Catrin Rieband vom Bundesamt für Verfassungsschutz für die geplanten aufgebohrten "Analysefunktionen". Diese stellten einen "erheblichen Mehrwert" bei der schnellen Überprüfung Verdächtiger dar. Projekte zum Aufklären von Netzwerkstrukturen etwa rund um Syrien- und Irak-Reisende könnten die Behörden zwar auch "zu Fuß" machen, über die gemeinsame Datei ginge es aber schneller.

Es gehe um einen "Wettlauf mit der Zeit", unterstützte Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Riebands Linie. Er sprach von einer "anhaltenden Bedrohung durch den internationalen Terrorismus mit einer neuer Dimension der Verrohung" und entsprechenden "einigen hundert Verdachtslagen pro Jahr". Gäbe es die ATD nicht, müsste sie erfunden werden. Die Novelle drohe zu "weniger wertigen Treffern" zu führen: Es müssten mehr Daten verdeckt eingespielt werden, was momentan technisch gar nicht machbar sei. Ziercke befürchtete, dass das Instrument so wie vorgesehen "bei Sachbearbeitern nicht die nötige Akzeptanz finden" werde. (anw)