Josef Joffe, Jochen Bittner ./. ZDF - Die Anstalt

Satire vor dem Landgericht Hamburg

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Seit Monaten schämen sich Journalisten für die ZEIT-Autoren Josef Joffe und Dr. jur. Jochen Bittner, die über das als pressefeindlich verschriene Landgericht Hamburg dem ZDF Äußerungen verbieten ließen, welche in der Satiresendung "Die Anstalt" gefallen sind oder angedeutet worden sein sollen. In einem Beitrag, der die Einseitigkeit der als "Nato-Versteher" deklarierten Elite-Journalisten aufs Korn nahm, wurden die Interessenkonflikte dieser und anderer Zeitungsmacher aufs Korn genommen, die bei diversen Lobby-Organisationen zu flanieren pflegen.

ZEIT-Herausgeber Josef Joffe und seinem Schreiber Jochen Bittner war es offenbar nicht peinlich, beim Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen zu beantragen, in jener Zivilkammer 24, die ernsthaften Journalisten wegen ihrer bisweilen absurden bis verfassungswidrigen Rechtsprechung das Leben schwer macht. Während in Hamburg etliche Richter bei Anträgen auf einstweilige Verfügungen gewissenhaft arbeiten und häufig die Gegenseite sogar zu einem Termin laden, bevor sie in das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit eingreifen, ist die Zivilkammer 24 ("Pressekammer") dafür bekannt, eine einstweilige Verfügung im Regelfall ohne Anhörung des Gegners zu erlassen. Eigene Verfügungen hebt die Pressekammer nur ungern auf. Bis man eine in Hamburg verbotene Äußerung von Bundesgerichtshof oder Bundesverfassungsgericht wieder erlaubt bekommt, vergehen etwa sieben Jahre Prozessdauer.

Das Landgericht Hamburg verbot dem ZDF die Äußerung,

Dr.Joffe sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von acht Organisationen, die auf einer Schautafel in der Sendung "Die Anstalt" vom 2014 im ZDF genannt wurden,

sowie die Äußerung,

Dr. Jochen Bittner sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von drei Organisationen, die auf einer Schautafel in der Sendung "Die Anstalt" vom 2014 im ZDF genannt wurden.

Wohlgemerkt: Dies wurde so nicht gesagt, vielmehr zählte Joffe die Anzahl der Fäden im Schaubild. Vor Gericht stritt man sich im Widerspruchstermin darum, was genau ausgesagt worden sei. So räumte Joffe nur die Mitgliedschaft in einigen dieser Organisationen ein, auch stritt man sich darum, ob die Münchner Sicherheitskonferenz oder die ZEIT-Redaktion jeweils "Organisation" seien. Ob man bei der ZEIT wohl unorganisiert ist?

Die Darstellung hatte die satirische Frage vorbereitet, ob Joffe denn bei so vielen Verpflichtungen noch Zeit zum schreiben hätte. Da auch die Satiresendung nicht nur durch die ZEIT, sondern auch durch die Zeit beschränkt ist, hielten die Satiriker keine präzisen Vorträge über die dezidierten Mitgliedschaften, sondern spitzten unter Inkaufnahme von Ungenauigkeiten zu. Aus diesen Vergröberungen wollte nun der Joffe-Anwalt Honig saugen und echauffierte sich darüber, Joffe sei nur im Aspen-Institut Prag Mitglied, nicht aber im Aspen-Institut Berlin oder Colorado, was allerdings nicht einmal die Hamburger Pressekammer störte. Joffes Anwalt fand auch, man müsse seinem Mandanten nicht die Website der Stanford University zurechnen, wo seine Mitgliedschaften anders dargestellt würden. Die könne Joffe nicht ändern. Bei der Website josef-joffe.com ließ sich das Gericht allerdings nichts erzählen. Dort sieht Joffes Lebenslauf inzwischen so aus. Das Gericht gab zu verstehen, dass es die acht Fäden bei Joffe akzeptieren würde, wenn mindestens in sechs Organisation Mitgliedschaften oder ähnliches bestünden.

Eine weitere Äußerung hatte das Landgericht nicht einstweilen verboten, dies tat jedoch die Berufungsinstanz Hanseatisches Oberlandesgericht, wo inzwischen der einstige Vorsitzende der Hamburger Pessekammer Buske wirkt. So verbot das Oberlandesgericht dem ZDF die Behauptung,

Bittner habe im Zusammenhang mit der Rede des Bundespräsidenten Gauck vor der Münchner Sicherheitskonferenz für den Bundespräsidenten geschrieben.

Hier gab das Gericht zu verstehen, dass es die Kritik der Satiriker durchaus nachvollziehen könne. Im Prozess fiel der Satz, dass die berüchtigte "Stolpe-Rechtsprechung" zur böswilligen Auslegung unklarer Äußerungen nicht bei satirischen Texten anzuwenden sei.

Den ZEIT-Journalisten scheint die Peinlichkeit ihres Vorgehens nicht präsent zu sein. So kämpfte etwa Bittner im Blog des kommentierenden Rechtsanwalts Thomas Stadler um seine vermeintliche Journalisten-Ehre und behauptete:

Weil ich Gerichtsfristen einhalten musste, um im Zweifel am Ende nicht wehrlos da zu stehen, musste ich die Klage einreichen.

Da die Verjährung bei rechtswidrigen Äußerungen drei Jahre beträgt und der so sprachsensible Dr. jur. Bittner sicherlich "Klage" meint, wenn er "Klage" schreibt, könnte das ZDF diese wahrheitswidrige Behauptung wohl anwaltlich abmahnen lassen ...

Im Termin am Freitag hatten die Pressejuristen gewisse Probleme, die satirischen Äußerungen auszulegen. Satire ist als Unterfall der Meinungsfreiheit grundsätzlich von Meinungsfreiheit geschützt, wobei allerdings Lügen nicht durch taktische Formgebung von Satire "legalisiert" werden können. Nach Ansicht des Bittner/Joffe-Anwalts handelte es sich um falsche Tatsachenbehauptungen. Der Anwalt erkannte die Äußerungen auch nicht als Satire an, was schließlich sogar der Vorsitzenden Richterin zu bunt wurde, welche die Sendung offenbar schätzte.

Die Vertreter des ZDF beklagten, das Gericht und das Oberlandesgericht hätten den Gesamtzusammenhang der Äußerung nicht hinreichend gewürdigt. (Exakt diesen Vorwurf schreiben die Karlsruher Richter ihren Hamburger Kollegen mantraartig ins Stammbuch, wenn sie nach sieben Jahren die Hamburger Urteile aufheben, was häufig geschieht.) Das Gericht schlug vor, das ZDF solle im Wege eines Gerichtsvergleichs eine Erklärung abgeben, wie es denn die Äußerungen gemeint hätte. Davon hielt der angreifende Anwalt wenig. Er hätte mit Joffe am Vortag besprochen, dass man die Sache durch alle Instanzen ziehen werde.

Die Parteien gingen schließlich in der Weise auseinander, dass das Gericht einen Vorschlag ausarbeiten wird, wie das ZDF die Äußerungen seiner Satiriker gemeint haben soll. Kommt kein Vergleich zustande, wird das Schicksal der angegriffenen einstweiligen Verfügungen am 05. Oktober 2014 verkündet werden. In gleicher Sache wurden auch Hauptsacheklagen eingereicht, in denen das ZDF sich effizienter als gegen einstweilige Verfügungen verteidigen könnte. Entsprechende Entscheidungen wurden für den 21. November 2014 terminiert.

Im Termin merkte Joffes Anwalt an, dass sein Mandant auch in der jüngsten Sendung thematisiert worden sei. Hier zeichnet sich jedoch ein Running Gag ab. Im Gerichtssaal war nämlich auch ein Redakteur der "Anstalt" anwesend, der für weitere Sketche jede Menge Stoff gesammelt haben dürfte.