Chemie-Nobelpreis für Super-Mikroskope

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an den Deutschen Stefan Hell und die US-Forscher Eric Betzig und William Moerner. Sie werden für ihre Verdienste in der hochauflösenden Fluoreszenz-Mikroskopie ausgezeichnet.

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Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an den Deutschen Stefan Hell und die US-Forscher Eric Betzig und William Moerner. Sie werden für ihre Verdienste in der hochauflösenden Fluoreszenz-Mikroskopie ausgezeichnet.

Den Chemie-Nobelpreis teilen sich in diesem Jahr drei Forscher aus Deutschland und den USA. Sie erhalten die Auszeichnung für die Entwicklung von Mikroskopen, die jenseits der Beugungsgrenze einzelne Moleküle in Zellen sichtbar machen können. Auf diese Weise lassen sich unter anderem die Ursachen von Krankheiten besser aufklären.

1873 veröffentlichte der deutsche Naturforscher Ernst Abbe eine Formel, die dem Wissensdrang von Biologen und Medizinern eine scheinbar unüberwindliche Grenze setzte: Auch mit einem noch so perfekt konstruierten Mikroskop lassen sich zwei nebeneinander liegende Punkte nicht mehr voneinander unterschieden, die dichter als die halbe Wellenlänge des Lichtes zusammen liegen.

Stefan Hell.

Das begrenzte die Auflösung von Lichtmikroskopen auf 200 Nanometern. Bakterien waren gerade noch als kleine, verschwommene Bläschen sichtbar, ihr Innenleben – oder das von Zellen – allerdings nicht mehr. Die später entwickelte Elektronenmikroskopie liefert zwar bessere Auflösungen, erlaubt aber nicht die Untersuchung von lebenden Zellen, weil diese erst fixiert und damit getötet werden müssen.

Einer, der die Auflösungsgrenze deshalb nicht akzeptieren wollte, war Stefan Hell, 1990 frisch gebackener Doktor der Physik an der Universität Heidelberg. Hell wollte Mikroskope konstruieren, deren Auflösung nicht durch Lichtbeugung begrenzt war. Weil die Idee vielen Physiker-Kollegen zu phantastisch erschien, nahm Hell 1993 eine Stelle an der Universität Turku an, wo er die theoretischen Grundlagen für sein neues Mikroskop entwickelte.

Ein 2008 für die DFG publizierter Artikel beschreibt das Prinzip: Im sogenannten STED-Mikroskop – das Akronym steht für Stimulated Emission Depletion – werden zwei Laser verwendet, um die Probe zu beleuchten. Der erste Strahl regt einen Fluoreszenz-Farbstoff in der Probe zum Leuchten an. Der Farbstoff leuchtet, weil der einfallende Laserstrahl Elektronen im Farbstoff auf ein höheres Energieniveau hebt. Nach einiger Zeit fallen die angeregten Elektronen in den Grundzustand zurück – dabei sendet das angeregte Molekül ein Photon aus.

Der Trick beim STED-Mikroskop ist nun ein zweiter, ringförmiger Laser-Strahl einer anderen Frequenz. Dieser zweite Laser sorgt für "stimulierte Emission" der angeregten Farbstoffmoleküle – man kann sich das ähnlich wie das Schütteln eines Apfelbaums vorstellen. Die stimulierten Moleküle fallen in den Grundzustand zurück und werden so dunkel geschaltet – übrig bleibt ein winzig kleiner, heller Leuchtfleck im Zentrum des Anregungsstrahls.

William Moerner.

Je stärker der Ausschaltstrahl, desto kleiner wird dieser Punkt, desto höher wird die Auflösung, die man erhält, wenn man die beiden Strahlen durch die Probe rastert und dabei ein Bild erstellt. Die Auflösung lässt sich jetzt trotz Beugung kontinuierlich steigern und zwar prinzipiell bis auf die Größe eines Moleküls – in der Praxis lassen sich Auflösungen von 10 bis 20 Nanometer erzielen. 2006 erhielt Hell für seine Erfindung den Deutschen Zukunftspreis. Er forscht am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen und am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

Eric Betzig und William E. Moerner trugen unabhängig voneinander wichtige Entdeckungen zur Entwicklung der "Nanoskopie" bei. Die Grundlagen legte Moerner von der Stanford University mit der Entwicklung eines Detektionsverfahrens, mit dem er einzelne fluoreszierende Moleküle erkennen konnte. Forscher studieren das Innenleben von Zellen mit Hilfe eines grün fluoreszierenden Proteins (GFP).

Dessen Entdeckung in Quallen und Nutzbarmachung für die Forschung wurde 2008 ebenfalls mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet. Das GFP lässt sich an andere Proteine von Interesse andocken. Wird es dann mit Licht einer bestimmten Wellenlänge (488 Nanometer) angeregt, macht GFP sein Proteinpartner sichtbar – überall da, wo es in der Zelle vorkommt. Auf diese Weise lassen sich größere Strukturen beobachten.

Eric Betzig.

Moerner entdeckte 1997 im Labor von Roger Tsien, einer der späteren GFP-Nobelpreisträger von 2008, dass eine Variante von GFP nicht nur an-, sondern auch abgeschaltet werden konnte. Nach der Anregung mit 488 Nanometer lässt das Leuchten von GFP nach gewisser Zeit nach und kann mit dieser Wellenlänge nicht wieder angeregt werden – wohl aber mit 405 Nanometer.

Moerner verteilte diese anregbaren Proteine in einem Gel so, dass sie weiter als die Auflösungsgrenze von 200 Nanometer voneinander entfernt waren. Auf diese Weise hatte er winzige Lampen geschaffen, deren Positionen auch ein normales Lichtmikroskop erkennen konnte.

Damit löste er ein Problem, auf das Eric Betzig zwei Jahre zuvor gestoßen war. Ähnlich wie Hell war auch Betzig davon besessen, die Abbe’sche Auflösungsgrenze zu überwinden. Anfang der Neunziger Jahre arbeitete er mit der neuen Nahfeld-Mikroskopie-Technik in den Bell Laboratories in New Jersey. Diese erlaubte zwar eine bessere Auflösung als 200 Nanometer, konnte aber die Membran von Zellen nicht gut durchdringen. Betzig überlegte, ob mit verschiedenfarbigen Fluoreszenz-Farbstoffen unterschiedliche Teile der Zelle sichtbar gemacht werden können – mit je einer Aufnahme der Zelle für jede Farbe – so dass sie insgesamt eine bessere Auflösung und ein genaueres Bild des Zell-Innenlebens ergeben. Diese Farbstoffe gab es aber noch nicht.

2005 entdeckte Betzig am Howard Hughes Medical Institut Fluoreszenz-Proteine, die ähnlich wie Moerners Variante einzelne Moleküle sichtbar machen konnten, wenn sie mit einer bestimmten Wellenlänge angeregt wurden. Nun hatte er die Werkzeuge, um seine Idee modifiziert umzusetzen: Schleuste man die verschiedenen Fluoreszenz-Moleküle in eine Zelle ein und bestrahlte diese mit schwachen Lichtpulsen, leuchteten jedes Mal andere Moleküle auf. Diese Teilaufnahmen ließen sich dann zu einem detaillierten Gesamtbild montieren. Auf diese Weise lassen sich heute in Echtzeit Vorgänge in lebenden Zellen untersuchen und die Ursachen von Krankheiten erforschen: Beispielsweise die Ansammlung schädlicher Proteine in Nervenzellen bei der Alzheimer‘schen Krankheit.

Bilder: Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0 (Stefan Hell), K. Lowder via Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0 (William Moerner), Matt Staley/HHMI (Eric Betzig).

(wst)