Ceatec 2014: Nette Technik, schlechte Show

Japans Innovationsschaufenster zeigt, dass die hiesigen Elektronikkonzerne sich neu positioniert haben. Nur leider schaufeln die Messeveranstalter dem einstigen Mekka der Technikfreaks ein tiefes, tiefes Grab.

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Von
  • Martin Kölling

Japans Innovationsschaufenster zeigt, dass die hiesigen Elektronikkonzerne sich neu positioniert haben. Nur leider schaufeln die Messeveranstalter dem einstigen Mekka der Technikfreaks ein tiefes, tiefes Grab.

Mein Lebensmotto lautet: "Schlimmer geht's immer, aber irgendwie wird alles gut." Japans legendäre Technikmesse Ceatec allerdings widerlegt bisher meinen unerschütterlichen Optimismus. Nachdem ich die Messe voriges Jahr schon halb totgeschrieben hatte und mit noch tiefer gelegten Erwartungen nach Makuhari gereist war, schafften die drei Veranstalter es, die Latte noch einmal deutlich zu unterspringen. Zwei Hallen weniger, so gut wie keine neuen Produkte und kein Sony, kein Hitachi mehr da. Selbst Nissan mied die Messe dieses Mal, obwohl der Konzern der erste Autohersteller war, der auf der Ceatec ausstellte. Die Veranstaltung gab das Bild einer sterbenden Messe ab.

Den Schrumpfkurs kann man natürlich als Absicht entschuldigen: Die Veranstalter, die Communications and Information Network Association of Japan (CIAJ), die Japan Electronics and Information Technology Industries Association (JEITA) und die Computer Software Association of Japan (CSAJ) wollen die Messe von der Unterhaltungselektronik- zur Unternehmenskundenmesse umpositionieren.

Verständlich. Erstens gehen die japanischen Konzerne ebenfalls in diese Richtung. Zweitens konzentrieren die japanischen Konzerne ihren Messeauftritt auf die IFA in Berlin im September und die CES in den USA im Januar. Da hat die Ceatec natürlich schlechte Karten.

Aber bitte schön, wenn man schon kleine Brötchen backt, kann man das wenigstens ordentlich machen – und das bestehende Potenzial der Messe als Innovationsschaufenster der Japan AG ausschöpfen. Aber nicht einmal das versuchten die Veranstalter. Okay, wegen eines Taifuns musste das Pressebriefing am Montagnachmittag abgesagt werden. Um so wichtiger wäre es gewesen, die anreisende Berichterstatter am Dienstag zu briefen. Doch die Pressearbeit beschränkte sich auf der Messe darauf, im Medienzentrum Kaffee und Kekse zu verschenken.

Anders als bei anderen Messen stellen die Veranstalter keine Highlights vor. Der Standplan wurde nicht einmal auf Englisch ausgedruckt, obwohl viele Journalisten aus dem Ausland anreisen und kein Japanisch können. Von professioneller und moderner Pressearbeit in Zeiten des Internets werden wir ja grundsätzlich in Japan nicht verwöhnt. Aber so stiefmütterlich wie das Veranstaltertrio behandeln heutzutage nicht einmal mehr japanische Unternehmen die Medienvertreter.

Dazu leistete sich die Messe eine regelrechte Peinlichkeit. An einigen Aushängen war der Name falsch buchstabiert, nicht CEATEC, sondern CAETEC. Und das in einem Land wie Japan, dessen Unternehmen Perfektion und Globalisierung predigen. Aber wenn's ums Englische geht, herrscht bei den Veranstaltern anscheinend noch immer die alte "Ach-was-soll's-passt-schon"-Mentalität vor.

Das ist nicht nur unprofessionell. Schlimmer noch: Damit leisten die Veranstalter den Ausstellern einen Bärendienst. Denn die Messe könnte auch heute noch den japanischen Unternehmen zu mehr globaler Aufmerksamkeit verhelfen, die die Unternehmen sicher nicht ablehnen würden. Schließlich fanden sich an den Ständen genügend gute Ideen und interessante Gadgets.

Mein persönlicher Höhepunkt war der Sharp-Auftritt. Erinnern Sie sich noch? Sharp ist der Pionier bei Flachbildfernsehern. Im globalen TV-Markt spielt das Unternehmen zwar nur noch eine kleine Rolle, aber als Displaylieferant ist der Konzern weiterhin eine Großmacht. Ich rede nicht von den neuen ultrahochauflösenden 4K-Fernsehern, die inzwischen zum Standardrepertoire japanischer und südkoreanischer Hersteller gehören. Sondern von:

- nahezu rahmenlosen Smartphone-Displays. Die hatte Sharp in mehreren Reihen zu einer Bildschirminstallation zusammengeschaltet.

- dem MEMS-IGZO-Display, das Sharp mit dem US-Chiphersteller Qualcomm zusammen entwickelt hat. Dabei handelt es sich nicht um einen Flüssigkristallbildschirm. Stattdessen blocken oder öffnen kleine "Shutter" das Licht von Pixeln. Dies bietet vielfältige Vorteile gegenüber LCDs. Nicht nur ist die Farbwiedergabe besser und der Stromverbrauch der Displays niedriger. Auch erstrahlen Bilder und Text selbst im Licht der Mittagssonne klar und deutlich. Denn das Licht wird reflektiert. Erhältlich wohl am 2015.

- formbaren LCD-Displays. Denn Sharp hat eine Technik entwickelt, mit der LCDs nicht mehr rechteckig sein müssen. Das Display braucht nun nur noch eine gerade Kante. Das dargestellte Armaturenbrett mit den digitalen Rundinstrumenten sah klasse aus.

Und von Sharps 8K-Fernseher wollen wir gar nicht reden. Aber der war ja nicht neu, ist aber immer noch extrem eindrucksvoll.

Zwei andere Sachen, die ich interessant fand: Toshiba stellte eine kleinen Sensor vor, der auf die Brust geklebt den Puls und die Temperatur messen und ein EKG erstellen kann – alles in einem. Die Daten werden dann in Echtzeit in eine App übertragen und können so auf Bildschirmen visualisiert werden.

Und dass die Pulsmessung durch Fingerauflegen total von gestern ist, demonstrierte Fujitsu. Der Konzern kann mit einer Kamera den Schlag des Herzens per Kamera vom Gesicht ablesen. Die Pulskurve und die Taktrate der Pumpe werden dann in Echtzeit auf einem Display angegeben. Bei mir lag der Ruhepuls (sitzend) zwischen 61,6 und 63,8 Herzschlägen pro Minute.

Ich hoffe nur, dass die Ceatec bei all dem Grabschaufeln doch noch die Totenglocken hört und zur Auferstehung ansetzt. Einen guten Partner hätte sie schon: die IFA in Berlin. Mein Vorschlag: Lass doch mal die IFA ran. Deren Macher haben die Messe nicht nur zur größten Unterhaltungs- und Haushaltegerätemesse für Verbraucher, sondern auch für den Handel aufgebaut. Auch für die Ceatec könnten die Herren und Damen aus Berlin ein tragfähiges Konzept finden, da bin ich mir sicher.

Allerdings wird daraus wohl nichts. Und ich frage mich, ob ich mir 2015 noch einmal die Mühe machen soll, zur Ceatec zu fahren. (bsc)