Streit über Rolle der ITU bei Internet-Regulierung, Cybersicherheit und Datenschutz

Im südkoreanischen Busan wurde am heutigen Montag die dreiwöchige ITU-Bevollmächtigtenkonferenz eröffnet. Dabei geht es auch um die massenhafte Ausspähung im Internet.

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Von
  • Monika Ermert
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Das Thema massenhafte Ausspähung im Internet und Verletzung des Datenschutzes durch Geheimdienste hat es auf die Tagesordnung der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) geschafft. Russland gibt sich in der am heutigen Montag im südkoreanischen Busan eröffneten dreiwöchigen ITU-Bevollmächtigtenkonferenz "besorgt" über die Spähattacken. Die arabischen Länder beklagen, dass internationale Schranken fehlen und wollen erreichen, dass die ITU aktiv wird. Die USA wollen aber der ITU nicht mehr Kompetenzen zuschanzen und den Datenschutz explizit aus dem langfristigen ITU-Strategieplan streichen lassen – und das Mandat der ITU zu Cybersicherheit gleich mit.

Während der Eröffnungsverantaltung

(Bild: ITU/I. Wood)

Der russische Minister für Kommunikation und Medien, Nikolai Nikiforov, ließ es sich im Auftaktplenum in Busan am heutigen Montag nicht nehmen, den US-Whistleblower Edward Snowden zu bemühen. Snowdens Berichte zu dem von der NSA verursachten Internet-Blackout in Syrien hätten die ganze Dimension der Spähattacken gezeigt, die nicht nur private Nutzer, sondern ganze Länder beträfen, sagte Nikiforov und sprach von der Kompromittierung von DNS und Routing.

Die von Russland angeführte Gruppe "Regional Commonwealth in the Field of Communication" (RCC) und die arabischen Staaten fordern daher, dass im Rahmen der ITU-Arbeit mögliche rechtliche Normen gegen die Geheimdienstexzesse diskutiert werden. Unter anderem betrifft das Thema die Resolutionen 101 (Internet-Protocol based networks) und 130 (Cybersecurity), die bei den alle vier Jahre stattfindenden Bevollmächtigtenkonferenzen jeweils aktualisiert werden.

Die RCC und die arabischen Staaten wollen zudem, dass die ITU eine größere Rolle im Bereich Internet Governance (Resolution 102) erhält. Trotz der laufenden Reform der IANA, in deren Verlauf die US-Administration ihre Aufsichtsrolle an eine selbstverwaltetes Gremium abgeben will, gehören die Internetresolutionen der ITU auch in Busan wieder zu den meist umstrittenen Themen. Schon vor dem Treffen startete die US-Administration eine regelrechte Kampagne gegen die entsprechenden Vorstöße und menetekelte von einem Angriff auf das freie Internet und das viel beschworene Multi-Stakeholder-Modell. Unter das Motto "mehr Multi-Stakeholder bei der ITU" haben auch die in der CEPT organisierten europäischen Länder ihre Vorschläge für die diesjährige Konferenz gestellt.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte vor der Konferenz auf Anfrage von heise online mitgeteilt, die Bundesregierung gehe "unverändert davon aus, dass es keine Erweiterung der Zuständigkeiten und Kompetenzen der ITU im Bereich der Internet Governance bedarf."

An den internetbezogenen Resolutionen der ITU 101, 102 sowie 133 halten die CEPT-Mitglieder im Gegensatz zu Russland und den arabischen Staaten nur geringfügige Änderungen für notwendig. "Gleiches gilt für Resolution 130, die sich mit Sicherheitsfragen beschäftigt", heißt es aus Berlin. Zudem befürworten die CEPT-Länder, wenn auch in unterschiedlichem Maß, dass ITU-Dokumente zur Netzpolitik künftig jedermann zugänglich sein sollen.

Einen Schritt in Richtung mehr Transparenz machten die Regierungsvertreter heute Morgen im Eröffnungsplenum, indem sie die Veröffentlichung aller Dokumente der laufenden Konferenz abnickte. "Das ist keine Vorentscheidung in Bezug auf die generelle Politik des Zugangs zu Dokumenten in der Zukunft", versicherte der Generalsekretär Hamadoun Touré in der Sitzung. Später nannte Touré die Veröffentlichung der Arbeitsdokumente allerdings "den richtigen Weg".

Direkt nach der Entscheidung waren die Konferenzdokumente übrigens noch nicht offen zugänglich, wie ein Blick auf die ITU-Webseite zeigt. Das werde sich wohl in den nächsten Tagen ändern, sagte eine Sprecherin.

In Busan diskutieren die 3000 Delegierten der Mitgliedsländer auch neue Projekte zur Schließung der digitalen Kluft, zum weiteren Arbeitsprogramm und zu Finanz- und Managementfragen der im kommenden Jahr 150 Jahre alten UN-Organisation.

Touré bestreitet in Busan seine letzte ITU-Vollversammlung als Generalsekretär. Ihm folgt sein bisheriger Vize, Houlin Zhao, der früher Chef des Standardisierungsbereichs der ITU war. Weil kein Land einen Gegenkandidaten ins Rennen schickt, steht Zhaos Wahl fest. Auf zahlreiche Wahlgänge müssen sich die Delegierten allerdings bei den Posten für den Vizegeneralsekretär und die Chefs der verschiedenen Bereiche, Standardisierung, Entwicklungspolitik, Funkfrequenzen einstellen. (anw)