Netze ohne Zwangsrouter: Belgien macht's vor

Das kleine Land demonstriert damit eindrücklich, dass die von manchen deutschen Netzbetreibern verlangte Zwangsrouter-Regelung einer technischen Begründung entbehrt.

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Im Dezember 2013 hatte Belgien die letzten Schritte auf dem Weg zur Öffnung von Kabelnetzen für Mitbewerber genommen. Die belgische Regulierungsbehörde BIPT hatte unter anderem verfügt, dass die Netzbetreiber die technischen Spezifikation ihrer Kabelnetzzugänge offen legen müssen, damit wenigstens Wettbewerber, die sich in die Bestandsnetze einmieten, Endgeräte ihrer Wahl beim Teilnehmer einsetzen können. Nun ist die Öffnung des Kabelmarktes offiziell abgesegnet und der BIPT hat ein Preismodell für interessierte Provider entwickelt. Diese müssen für eine technische Anpassung der Netze eine Setup-Gebühr an die Betreiber entrichten. Die Beträge liegen zwischen 300.000 und 600.000 Euro.

Das erste Unternehmen, das den geöffneten Kabelmarkt nutzen will, ist Mobistar. Der belgische Mobilfunknetzbetreiber will nun für Kabelnetzkunden ein eigenes Triple-Play-Paket schnüren. Das Unternehmen hatte dazu im Januar jeweils rund 600.000 Euro an die Netzbetreiber Telenet und Brutélé-Tecteo entrichtet und will nun Ende dieses Jahres sein eigenes Kabel-Angebot starten. Im September hatte das Unternehmen Vereinbarungen mit den Zulieferern Alpha Networks, Zappware und Siligence getroffen, um eigene TV-Dienste anzubieten. Mobistar will von Alpha Networks Systeme für das Management von interaktiven Diensten beziehen, von Siligence die Decoder-Hardware und von Zappware das User-Interface für die Decoder.

So kann es auch gehen: In Belgien hat der Regulierer zur Stärkung des Wettbewerbs verfügt, dass sich Provider in Kabelnetze einmieten können. Um die technischen Voraussetzungen zu erfüllen, müssen solche Provider eine Setup-Gebühr zahlen, die sich nach den gewünschten Diensten richtet.

Einen gänzlich freien Router-Markt hat Belgien für seine Kabelnetze damit zwar noch nicht geschaffen, aber das Beispiel demonstriert, dass es anders als von manchen deutschen Netzbetreibern dargestellt, durchaus technische Möglichkeiten gibt, einen versiegelten Endgerätemarkt zu öffnen. Allerdings hatten die Belgier einen eindeutigen politischen Willen dazu, den Wettbewerb auch in den Kabelnetzen zu stärken: Kabelnetzbetreiber hatten sich zwar zunächst juristisch gegen die Öffnung ihrer Netze gewehrt, unterlagen den Telekommunikations- und Medien-Regulierern jedoch vor Gericht und mussten diesen anschließend Angebote zur Öffnung der Netze inklusive der technischen und operativen Details liefern.

In Deutschland haben die Zwangsrouter-Gegner hingegen erneut einen Rückschlag erlitten. Die Bundesnetzagentur, die noch im Februar 2014 eine hieb- und stichfeste Regelung gegen Zwangsrouter vorlegen wollte, war im September wieder eingeknickt und will weiterhin den Netzbetreibern überlassen, ob diese Verbrauchern das Routermodell vorschreiben.

Viele Internetteilnehmer, aber auch Verbraucherverbände kritisieren die von manchen Providern vorgeschriebenen Geräte (Zwangsrouter) aus zahlreichen Gründen – etwa, weil diese technisch nicht auf dem aktuellen Stand sind, weil sie Sicherheitsmängel aufweisen, weil Verbraucher haften, wenn Dritte ihren Anschluss für kriminelle Zwecke missbrauchen, obwohl der Betreiber die Konfiguration des Geräts in der Hand behält, oder auch, weil Verbraucher Sicherheitsaktualisierungen nicht selbst einspielen können. Auch Router-Hersteller sind gegen den Router-Zwang, einfach, weil solche Geräte den offenen Wettbewerb behindern.

Die Verfechter des Router-Zwangs äußern sich bisher nicht öffentlich zu ihren Motiven. Einige denkbare Gründe sind: geringerer Hotline-Aufwand, zusätzliche Einnahmen durch den Verkauf oder auch Vermietung von Geräten oder auch nur einzelner Funktionen (zum Beispiel Freischaltung von WLAN-Funktionen gegen monatliche Gebühr). Manche Netzbetreiber verbieten daher an ihren Anschlüssen den Betrieb von fremden Routern vertraglich oder rücken die Zugangsdaten nicht heraus, sodass Verbraucher gezwungen sind, vorkonfigurierte Geräte des Betreibers anzuschließen.

Mit etwas technischem Sachverstand können sich Nutzer natürlich darüber hinwegsetzen. Beispielsweise kann man bei Fritzboxen einige Zugangsdaten einfach per Telnet auslesen und in Routern anderer Hersteller nutzen. Allein diese simple Art der Austauschbarkeit belegt, dass es für einen Routerzwang keinen technischen Grund gibt – sämtliche für die Kommunikation mit den Netzelementen des Betreibers erforderlichen Schnittstellen sind ja offengelegt, und die Hersteller implementieren sie daher auch genauso, dass sie herstellerübergreifend funktionieren. Doch das Auslesen der Zugangsdaten funktioniert längst nicht bei allen Geräten und Betreiber könnten die Vetragsverstöße natürlich auch ahnden.

Vorstellbar sind auch Zwangsrouter, die proprietäre Einwahlverfahren nutzen. Ein solches Geräteangebot lässt an graue Bundespost-Zeiten und ihr dürftiges Btx-Terminal denken. Verbraucher, die sich dann gegängelt oder durch unzulängliche Geräte technisch eingeschränkt fühlen, können dann nur auf Hilfe vom Gesetzgeber hoffen. (dz)