EU: Abschied vom Klimaschutz

EU-Gipfel einigt sich auf Klima-Ziele für 2030, die weit hinter dem Erforderlichen zurück bleiben

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Die Staats- und Regierungchefs der 28 EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf ihrem seit dem gestrigen Donnerstag tagenden Brüsseler Gipfel auf neue Ziel für ihre Klimaschutzpolitik bis 2030 geeinigt, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Herausgekommen ist wie erwartet, ein halbherziger Kuhhandel.

Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 gesenkt werden. Außerdem soll in den nächsten 15 Jahren der Anteil der erneuerbaren Energieträger am gesamten Energieverbrauch auf 27 Prozent gesteigert und auch die Energie-Effizienz um 27 Prozent erhöht werden. Letzteres ist in etwa das Maß, in dem diese ohnehin auch ohne besondere zusätzliche Anstrengungen zunehmen wird, wenn man davon ausgeht, dass sich der technologische Trend der vergangenen Jahrzehnte fortsetzt.

Was bedeutet ein Reduktionsziel von 40 Prozent? Für gewöhnlich heißt es, dass der weitere Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Luft bis spätestens 2050 aufgehalten sein muss, wenn der Klimawandel in einem gerade noch erträglichen Rahmen gehalten werden soll. Die meisten Länder sehen eine mittlere globale Erwärmung von zwei Grad Celsius als den Wert an, der nicht überschritten werden sollte. Insbesondere viele Inselstaaten verweisen aber darauf, dass selbst diese Temperatur schon ausreichen könnte, den mittleren Meeresspiegel in den nächsten Jahrhunderten um mehrere Meter steigen zu lassen.


Doch akzeptieren wir einmal das Zwei-Grad-Ziel, auf das sich auch die EU festgelegt hat und das bis 2050 den Stop eines weiteren Anwachsens der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre erfordert. Was heißt das nun für die Emissionen?

Derzeit nehmen Biosphäre und Ozeane etwa zwei Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid pro Jahr und Kopf der Weltbevölkerung auf. Der Rest sammelt sich in der Atmosphäre an und führt dort zur Verstärkung des Treibhauseffektes. In diesen zwei Tonnen pro Kopf und Jahr können wir die Emissionsmenge sehen, die derzeit jedem Menschen zusteht, ohne dass sie Schaden anrichtet.

Gehen wir davon aus, dass erstens die Weltbevölkerung bis 2050 voraussichtlich von derzeit sieben Milliarden auf ungefähr neun Milliarden Menschen anwachsen und dass zweitens die Aufnahmefähigkeit der Ozeane vermutlich abnehmen wird, dann verringert sich das jedem Menschen 2050 noch zustehende Emissionspaket auf sagen wir 1,5 Tonnen pro Kopf und Jahr. Auf dieses Niveau müssen mindestens auch die hiesigen Emissionen zurückgeführt werden, wobei die historische Verantwortung für die bereits in der Atmosphäre akkumulierten Treibhausgase außer acht gelassen wird.

In den 28 heutigen EU-Mitgliedsländern wurden 1990 etwas mehr als elf Tonnen Kohlendioxid und andere Treibhausgase pro Kopf und Jahr in die Luft geblasen. Bis 2050 müssen die Emissionen also um rund 85 Prozent gesenkt werden. Erreicht waren davon 2012 gut 19 Prozentpunkte, weitere knapp 21 Prozentpunkte sollen nach den neuesten Beschlüssen bis 2030 geschafft sein.

Oder in anderen Worten: Für die ersten 40 Prozentpunkte lässt sich die EU 40 Jahre Zeit, wobei mindestens ein Drittel der Arbeit nicht durch aktiven Klimaschutz, sondern durch die Deindustrialisierung Mittel- und Osteuropas in den Jahren 1990ff geleistet wurde.

Und die übrigen 45 Prozentpunkte werden dann in zwei Jahrzehnten erledigt. Hört sich nicht sehr realistisch an, oder? Das werden natürlich auch die anderen Staaten sehen, und somit ist klar, was passieren wird, wenn die EU mit dieser Position in die internationalen Klimaverhandlungen geht. "Wenn ihr euch nicht bewegt, könnt ihr auch von uns nichts erwarten", werden die Vertreter Washingtons, Moskaus, Beijings und Neu Dehlis sagen. Die Aussichten auf einen wirklich wirksamen Klimaschutzvertrag, der im Dezember 2015 unterzeichnet werden soll, sind mit dem Brüsseler Beschluss deutlich schlechter geworden.