"Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich": 25 Jahre Mauerfall (nicht nur) im Netz

Vor 25 Jahren fiel die Mauer; das Ende der deutschen Teilung war eingeleitet. Heute findet das Gedenken auch im Internet statt. Es lohnt zudem ein Blick in die Archive, etwa das der c't – und eine Erinnerung an den 9. November als deutschen Gedenktag.

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"Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich": 25. Jahre Mauerfall im Netz

(Bild: Kulturprojekte Berlin / WHITEvoid / Foto: Daniel Büche)

Lesezeit: 5 Min.

Als die Mauer fällt, sitzt Tom Sello im Keller der Zionskirchengemeinde und tippt Flugblätter auf einem Amiga 500. Den Rechner hatten die Ostberliner Bürgerrechtler aus dem Westen besorgt. Mit einem Nadeldrucker wurden die Texte dann auf Matrizen gedruckt und vervielfältigt. "Es gab ja nur einen Copyshop, und da wurde alles kontrolliert", erinnert sich Sello. Nebenher läuft Westfernsehen auf einem winzigkleinen Schwarzweißfernseher. So bleiben Sello, der heute in der Robert-Havemann-Gesellschaft engagiert ist, und seine Mitstreiter über die historischen Ereignisse auf dem Laufenden.

Es beginnt mit einer unverdächtigen Pressekonferenz in Ost Berlin. Dann spricht Politbüro-Funktionär Günter Schabowski jene Sätze, die die Welt verändern: "Und deshalb, äh, haben wir uns dazu entschlossen, äh, eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, äh, über Grenzübergangspunkte der DDR, äh, auszureisen." Und auf die Nachfrage, ab wann das gelten soll: "Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich." In Ostberlin setzt ein Run auf die Übergangspunkte ein. Als erstes werden um 23:30 Uhr am Übergang Bornholmer Straße die Kontrollen eingestellt. Die Grenze ist offen.

Nach dem Mauerfall schaffen die c't und die populärste DDR-Computerzeitschrift MP (Mikroprozessortechnik) eine gemeinsame Kontaktbörse, um interessierte Computernutzer auf beiden Seiten der Grenze zusammenzubringen. Dabei ging es auch darum, gebrauchte Technik in die unterversorgte DDR zu schaffen. Die MP druckte im Rahmen dieser Kooperation auch c't-Artikel nach. 1992 wurde die MP eingestellt, aber in einem sehr kleinen Online-Archiv findet sich noch ein Beitrag aus jener Zeit, der andeutet, wie intensiv der Umbruch auch in dieser IT-Redaktion gespürt wurde.

Der Fall der Mauer in der c't (8 Bilder)

Eine der charakteristischen Ecken wies Anfang 1990 auf die "deutsch-deutsche Kontaktbörse" im Heft hin

Die Seiten zum Download als PDF: Folgen des Mauerfalls in der c't

In der Februarausgabe 1990 der c't berichtet Detlef Borchers von der Comdex in Las Vegas und wie er dort als "west-deutscher" Journalist immer wieder Fragen zu den Ereignissen beantworten durfte. Außerdem habe er Dutzende Visitenkarten von "mauersüchtigen Besuchern" erhalten, die unbedingt in die nicht mehr geteilte Stadt reisen wollten. Eine Ausgabe später dann setzten sich mehrere Artikel mit den Geschehnissen auseinander: So gibt es einen Bericht vom 6. Chaos Computer Congress, dem ersten mit DDR-Besuchern, und deren Ideen für ihr Heimatland. Es folgt ein – erstmals ehrlicher – Blick auf die Mikroprozessortechnik des Landes, jener Zukunftsbranche, die mit Milliarden konkurrenzfähig gemacht werden sollte.

25 Jahre später kann man bereits seit August dank des Twitter-Accounts @Mauerfall89 die Ereignisse, die auf den Fall der Mauer hinleiteten quasi live noch einmal Revue passieren lassen. Das Projekt entsteht als Zusammenarbeit der Stasi-Unterlagen-Behörde, des Zentrums für Zeitgeschichtliche Forschung in Potsdam und der Bild-Zeitung.

Berlin selbst feiert den Jahrestag mit einer Lichtinstallation nach einer Idee der Künstler Christopher und Marc Bauder. Auf rund 15 Kilometern zwischen Bornholmer Straße und der Oberbaumbrücke zeichnen 6880 leuchtende Ballons den Verlauf der Mauer nach. Diese Lichter erinnern auch an die Kerzen, mit denen die Bürger der DDR auf die Straße gegangen waren, erklärt Tom Sello. Am Sonntagabend sollen die Ballons in den Himmel steigen und die Mauer aus Licht sich so auflösen. Die Aktion wird in den sozialen Netzwerken begleitet, als offizieller Partner der Hauptstadtfeier soll Facebook die Botschaft in die Welt tragen.

Mit Zeitleisten begleiten die öffentlich-rechtlichen Sender den Jahrestag des Mauerfalls, mit Artikelserien blicken überregionale Zeitungen auf die Geschehnisse und die Folgen zurück, die immer noch zu spüren sind. Wer sich selbst einen Blick machen will, kann auch die frei einsehbaren Archive dreier großer DDR-Tageszeitungen konsultieren. Dabei fällt etwa auf, wie wenig Aufmerksamkeit das "Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands", das Neue Deutschland den Geschehnissen an der Grenze widmete.

25 Jahre Mauerfall (11 Bilder)

In der geteilten Stadt konnte man der Berliner Mauer nicht entkommen, hier eine Aufnahme aus dem Mai 1981
(Bild:

Archiv Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotobestand Harald Schmitt

)

An diesem runden Jubiläum darf man auch daran erinnern, wofür der 9. November in der deutschen Geschichte noch steht. Am 9.11.1848 wurde der Demokrat Robert Blum hingerichtet, auf den Tag genau 70 Jahre später wurde die Deutsche Republik ausgerufen. Am 9. November 1923 scheiterte der Putschversuch von Adolf Hitler und Erich Ludendorff gegen die Weimarer Republik – und am 9. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen, das erste Fanal der blutigsten Epoche der deutschen Geschichte. Viele Jahre später, am 9. November 2001, wurde die in dieser Nacht zerstörte Synagoge in Dresden wieder eröffnet. (vbr) / (mho)