Aufregung um den blauen Doppelpfeil

Warum schlagen die Emotionen ausgerechnet bei Whatsapps neuer Lesebestätigung so hoch? Andere Dienste haben das schon lange.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Warum schlagen die Emotionen ausgerechnet bei Whatsapps neuer Lesebestätigung so hoch? Andere Dienste haben das schon lange.

Letzte Woche hat eine Funktionsänderung bei Whatsapp hohe Wellen geschlagen. Bisher zeigte das Chatprogramm bei jedem Senden zwei schwarze Pfeile hintereinander. Den ersten fürs Senden, den zweiten fürs Zustellen. Jetzt färben sich die Pfeile blau, wenn der Empfänger die Nachricht auch gelesen hat. Als Folge kursieren auf Twitter und anderswo böse Kommentare: Mit dieser Aktion trage Whatsapp dazu bei, Beziehungen zu zerstören. Konnten sich Partner bisher darauf beruhen, Nachrichten nicht gesehen zu haben, gehe das nun nicht mehr.

Warum dieser Protest (bei dem ich noch ganz sicher bin, inwieweit er nicht vor allem von den Medien hochgekocht wurde)? Bei anderen Chat-Programmen wie Threema oder iMessage gibt es nämlich schon länger ein extra Symbol dafür, dass der Empfänger die Nachricht auch gelesen hat. Bei Threema ist es sogar besonders auffällig: da wird aus einer stilisierten Inbox mit Pfeil (für gesendet) ein offenes Auge (für gesehen). Allerdings lässt sich bei Threema in den Einstellung eben festlegen, ob der Empfänger eine Lesebestätigung bekommt oder nicht.

Nur weil man etwas gelesen hat, heißt es doch nicht automatisch, dass man sofort eine Antwort weiß oder Zeit für eine (falls nötig) ausführliche Antwort hat. Was eine angemessene Zeitspanne ist, nach der man dann doch antworten sollte, will ich hier gar nicht diskutieren. Ich frage mich eher, was da noch hinter der Aufregung steckt. Sind wir schon so sehr „immer online“, wo das Internet auf alles sofort eine Antwort gibt, dass wir als Sender Geduld verlernt haben und diesen Druck sofort weitergeben?

Früher hätte man angerufen, wenn es wirklich dringend ist. Irgendwie hat sich mit dem Aufkommen von Chat- und Mailprogrammen unsere Wahrnehmung verschoben. Anrufen wird fast schon als Störung empfunden oder als Zeitverschwendung, wenn man doch bloß schnell die Uhrzeit für den Kinobesuch abstimmen will. Eine SMS fühlte und fühlt sich immer noch schneller an. Inzwischen schreiben wir fast nur noch und rufen kaum noch an. Dabei war anfangs mal auch bei SMS-en klar, dass die Antwort etwas dauert. Es war kein Zeichen von Unhöflichkeit. Textnachrichten erlaubten uns, Unterhaltungen auf die Zeit zu verlegen, zu denen es besser passte – etwa nach der Arbeit.

Seit wir aber nicht mehr auf Desktop-PC und Laptop angewiesen sind, sondern neben simsen auch mobil mailen und chatten können, erledigen wir solche Anfragen sofort, wenn sie uns einfallen. Und erwarten umgekehrt ebenso schnell eine Antwort, um die Sache abhaken zu können. Schließlich gibt es Push-Dienste. Wer nicht regelmäßig aufs Display guckt, ob jemand etwas von ihm will, gilt schnell als unzuverlässig. Gespeist wird dieser Druck nicht selten durch die Arbeit, wo inzwischen auch das meiste per Mail geregelt wird - und zwar ASAP. Und damit ist schon klarer, woher die Ungeduld und das Unverständnis für Whatsapp kommen.

Warum aber erst jetzt? Vermutlich schwingt bei Whatsapp latent mit, dass es als Facebook-Satellit mal wieder als Beispiel dafür wahrgenommen wird, dass man statt einer Opt-in-Funktion einfach etwas verordnet bekommen hat. Es würde dem Chatdienst gut zu Gesicht stehen, aus dem Muss ein Kann zu machen. Und uns, ein bisschen darüber nachzudenken, ob wir jede Antwort unbedingt so schnell haben müssen.

Interessanterweise gibt es eine neue Bewegung, per Handy wieder persönlicher Kontakt zu halten - wenn auch immer noch ohne anzurufen: und zwar per Sprachnachricht. Dazu mehr im nächsten Blog. (vsz)