Bessere Stimmung durch elektrische Hirnstimulation

Ein per Smartphone steuerbares Headset soll Nutzern einen Energieschub geben. Es wird von einem US-Start-up entwickelt.

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Von
  • Kevin Bullis

Ein per Smartphone steuerbares Headset soll Nutzern einen Energieschub geben. Es wird von einem US-Start-up entwickelt.

Bereits im nächsten Jahr soll ein kleines Gerät auf den Markt kommen, das elektrische Hirnstimulation einsetzt, um die aktuelle Stimmung des Trägers zu beeinflussen – auf Knopfdruck von einem Smartphone aus. Die Hardware des Start-ups Thync besteht aus einer Anzahl von Elektroden, die wiederum mit einem Handy verbunden sind. Der Hersteller verspricht seinen Kunden einen kurzen Energieschub, der sich angeblich ähnlich anfühlt wie das Konsumieren eines Energy Drinks.

Jamie Tyler, Mitbegründer von Thync und Professor an der Arizona State University, meint, das Gerät könne außerdem einen beruhigenden Effekt produzieren – vergleichbar mit ein paar Gläsern Bier oder der Einnahme von Diphenhydramin.

Bei einem kurzen Test mit Thync fühlte sich der Technology-Review-Reporter entspannt, hatte aber auch das Gefühl, einen klareren Kopf bekommen zu haben – ähnlich wie nach einer Meditation oder einer guten Massage. Der Effekt stellte sich nach einigen Minuten ein und hielt dann rund 45 Minuten vor. Das soll sich aber von Person zu Person unterscheiden.

Investoren glauben an die Idee von Thync – so steckten große Risikokapitalfirmen wie Khosla Ventures bereits 13 Millionen US-Dollar in das Start-up, damit es sein erstes Produkt auf den Markt bringen kann.

Marom Bikson, Professor für Biomedizintechnik am City College in New York, nutzte kürzlich eine Prototypversion der Thync-Hardware im Rahmen einer Studie mit 100 Personen, die von der Firma selbst finanziert wurde. Dabei ging es vor allem um die beruhigenden Effekte, die das Start-up verspricht. Man habe mit "großer Sicherheit" zeigen können, dass das Gerät eine Wirkung habe, wenn diese auch unterschiedlich ausfalle. "Für einige Leute, aber nicht für alle, ist der Effekt signifikant", so Bikson. Diese Gruppe habe sich innerhalb von Minuten "ganz anders" gefühlt. Nur Narkotika wirkten wohl stärker.

Das Thync-Gerät nutzt die sogenannte transkranielle Gleichstromstimulation, kurz TDCS. Diese wird in verschiedenen Varianten schon seit Jahren getestet, ist allerdings von der US-Gesundheitsaufsicht bislang nicht zur Behandlung spezifischer Krankheiten zugelassen.

Das Headset schickt einen kaum wahrnehmbaren elektrischen Strom durch verschiedene Bereiche der Kopfhaut, um den Entspannungs- und den "Red Bull"-Effekt zu erzielen.

Die meisten Studien zum Thema TDCS konzentrierten sich bislang darauf, mit elektrischem Strom den äußeren Bereich des Gehirns direkt zu beeinflussen. Thync will nun herausgefunden haben, dass sich starke Effekte schon durch das Ansprechen bestimmter Nerven und Muskeln kurz unter der Haut erzielen lassen.

Tyler und das Thync-Team wollen mehr als nur eine Art elektronischen Ersatz für Kaffee schaffen. Parallel arbeiten sie an einer Technik, die Ultraschall verwendet, um das Gehirn ohne chirurgische Eingriffe oder Medikamente stärker zu beeinflussen. "Das ist ein neues Gebiet mit einem Potenzial, das bislang nicht genutzt wird."

Die Ultraschallversuche könnten auch zu neuen Behandlungsformen für psychiatrische Krankheiten führen und die Hirnforschung vorantreiben, glaubt Amit Etkin, Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Stanford University. Er beginnt gerade eine Zusammenarbeit mit Tyler, die untersuchen soll, wie die Technik bei der Behandlung von Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder Parkinson-Zittern helfen kann.

Etkin zufolge hat Ultraschall zwei Vorteile gegenüber anderen Methoden: Damit lassen sich tiefe Bereiche des Gehirns wie der Mandelkern erreichen, die mit Gefühlslage und Motivation in Verbindung stehen. Ultraschall könne zudem genauer sein als andere Ansätze – im Millimeter- statt nur im Zentimeterbereich.

Noch ist die Methode jedoch ganz am Anfang und es dürfte eine Herausforderung werden, bestimmte Teile des Gehirns verlässlich anzusprechen, sagt Etkin. "Wir brauchen noch viel mehr Forschung, bevor wir das wirklich verstehen." (bsc)