BKA hat einen neuen Leiter – und eine neue Debatte über die Vorratsdatenspeicherung

Das Bundeskriminalamt hat einen neuen Chef. Holger Münch begann zu seiner Amtseinführung verhalten, während der scheidende BKA-Chef Jörg Ziercke und vor allem der Bundesinnenminister gegen Datenschützer und Speicherverweigerer kräftig vom Leder zogen.

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BKA hat einen neuen Leiter – und eine neue Debatte über die Vorratsdatenspeicherung

Jörg Ziercke (r.) wurde von Thomas de Maizière in den Ruhestand geschickt.

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Von
  • Detlef Borchers

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat den BKA-Leiter Jörg Ziercke (67) in einer Feierstunde nach mehr als zehn Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Dieser übergab die Dienstplakette der deutschen Top-Kriminalisten an seinen Nachfolger Holger Münch (53). Zuvor hatte de Maizière die traditionelle Herbsttagung des BKA eröffnet, die sich in diesem Jahr mit der organisierten Kriminalität (OK) befasst. De Maizière forderte eine selbstbewusste und mutige Stellungnahme der Polizeien zur Vorratsdatenspeicherung und weiterer dringend notwendiger Ermittlungsbefugnisse. Dem neuen BKA-Chef gab er auf, über "neue Strukturen der Polizeiarbeit" nachzudenken, etwa in einem gemeinsamen Abwehrzentrum gegen organisierte Kriminalität (OK) analog zur Arbeit des erfolgreichen gemeinsamen Terror-Abwehrzentrums.

Im Beisein vieler hochrangiger Vertreter in- und ausländischer Polizeibehörden sowie den Chefs von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Zollkriminalamt ließ es de Maizière richtig krachen: "Bei der OK wirkt das Internet wie ein Brandbeschleuniger", meinte der Innenminister und formulierte trotz fallender Deliktzahlen bei der OK den Stand der Dinge so: "Wir blicken durch ein gleichbleibendes Schlüsselloch auf einen gleichbleibenden Ausschnitt auf eine ständig wachsende Szene."

Besonders besorgniserregend seien Delikte wie Medikamentenfälschung (fünf im Jahre 2013, die das BKA seltsamerweise unter dem Begriff "Umweltkriminalität" führt) und der Vertrieb der Produkte über das Internet. Der Bundesinnenminister hob hervor, dass über "neue Begrifflichkeiten" nachgedacht werden müsse und über neue Formen der Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden. Das brüchige Vertrauen der Bürger müsse "neu erworben" werden, vor allem mit besseren Ermittlungsbefugnissen: "Es wird generell zu viel an Inhalten über uns gespeichert, die Verbindungdaten sind viel weniger", konstatierte der Innenminister mit einem deutlichen Wink an den Justizminister in punkto Vorratsdatenspeicherung.

Ziercke zeigte sich erschüttert über den größten anzunehmenden Unfall seiner Ermittlungsbehörde, die "das abscheuliche Verbrechen der NSU" nicht erkannt hatte: "Das ist unser Versagen". Seine Super-Fahnder operierten bei den sogenannten Ceska-Morden laufend mit verschiedenen Thesen über die organisierte Kriminalität und liefen darum in die Irre, weil sie rechtsradikale Hintergründe von vornherein ausgeschlossen hatten.

Wie Ziercke das Parlament sieht, das ihn in der Edathy-Affäre mit einem Untersuchungsausschuss hart bedrängte, wurde in einem Nebensatz deutlich, als er sich zur Fahndung nach dem Autobahnattentäter äußerte: "Ich verstehe einige Datenschützer in Deutschland nicht mehr."

Münch hielt sich in seiner Antrittsrede deutlich zurück. Ausgehend von "den ersten Webseiten im Jahr 1991" benannte er zwar die Schwierigkeiten, "digitale Spuren" zu sichern, doch forderte er keine neuen Gesetze. Er hat von seinem Vorgänger Ziercke die knifflige Aufgabe geerbt, für die Akzeptanz von Vorkehrungen zu werben, die in dem von ihm so genannten digitalen Raum leben. (anw)