Unabhängigkeit Kataloniens für 2016 auf der Tagesordnung

Der katalanische Regierungschef will vorgezogene Neuwahlen mit plebiszitärem Charakter über die Unabhängigkeit von Spanien

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Vor genau 300 Jahren fiel Katalonien in den Erbfolgekriegen mit der Eroberung Barcelonas unter die spanische Krone. Doch nun sorgt der Fahrplan zur Unabhängigkeit Kataloniens für Wirbel, den der katalanische Regierungschef Artur Mas am Dienstagabend vorgelegt hat.

Mehr als 3000 Menschen waren ins Auditori Fòrum in der katalanischen Metropole Barcelona geströmt, um zwei Wochen nach der unverbindlichen Befragung über die Unabhängigkeit nun zu hören, wie es weitergehen soll. Denn mit 81% hatten sich fast zwei Millionen Menschen klar für ein unabhängiges Katalonien ausgesprochen. Da der konservative spanische Regierungschef Mariano Rajoy ein Abkommen nach schottischem Vorbild über ein verbindliches Referendum rundweg abgeschmettert hat, blieb Mas letztlich kein anderer Weg, der nun zudem wegen der Volksbefragung angeklagt werden soll.

Wie angesichts dieser Situation erwartet wurde, will Mas nun vorgezogene Neuwahlen in eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit verwandeln. Das bliebe als "einziger Weg", damit die Bevölkerung in Katalonien über diese bedeutsame Frage entscheiden kann, ob sie ein "unabhängiges Katalonien will oder nicht". Nur dafür wolle er die Wahlen vorziehen und stellt er zudem die Bedingung auf, dass sich "mehrere Parteien auf einer gemeinsamen Liste mit der Unabhängigkeit als Programm präsentieren". Darauf sollten auch unabhängige Kandidaten der Zivilgesellschaft kandidieren, womit er die Chefinnen der Katalanische Nationalversammlung (ANC) und von Òmnium Cultural im Blick hat, die Millionen für "Katalonien als neuen Staat in Europa" auf die Straßen gebracht haben.

Wenn es mehr als eine Liste geben sollte, müsse eine allein mit der Unabhängigkeit als Programm die absolute Mehrheit erreichen. Nur dann werde er die Roadmap umsetzen, mit einem klaren Mandat die internationale Gemeinschaft informieren und in 18 Monaten die Unabhängigkeit erklären. Damit würde er dem Weg des Kosovo folgen, der von der EU-Kommission unterstützt wurde und vom Völkerrecht gedeckt ist, wie der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag schon 2010 geurteilt hat. "Die Erklärung vom 17. Februar 2008 hat das allgemeine internationale Recht nicht verletzt." Der Gerichtshof erklärte eindeutig, dass es keine internationale Rechtsnorm gibt, die es einer Bevölkerung verbiete, sich auch einseitig für unabhängig zu erklären.

Mas hatte in der Frage der gemeinsamen Liste vor allem die Republikanische Linke (ERC) im Blick, die bei den Europaparlamentswahlen im Mai erstmals meistgewählte Partei in Katalonien wurde und die Christsozialen überflügelte. Die Linke sträubt sich gegen eine gemeinsame Liste, doch sie war auch zunächst dagegen, die Volksbefragung nach dem Verbot des Verfassungsgerichts weiter zu verwässern. Die Basis hatte sie aber mit massivem Druck zur Einheit gezwungen. Und das wird die Wählerschaft erneut tun. Für die ANC-Chefin Carme Forcadell ist klar, dass es für die ERC nun "sehr schwierig ist, Nein zu sagen". Denn sie hat nun eine Chance, ihr historisches Ziel umzusetzen. Muriel Casals forderte für Òmnium Cultural die Parteien zur Einheit auf, "uns jetzt nicht im Stich zu lassen."

Der ERC-Chef Oriol Junqueras hatte sichtlich Mühe, den Vorschlag von Mas einzuordnen. Er war einer der wenigen im Saal, die dem Vorschlag den Applaus verwehrten. Doch Mas hat der ERC ohnehin eine Brücke gebaut. Er bot ihr an, dass es nicht er sein muss, der den Prozess in Zukunft anführen muss. Äußerte sich ERC zunächst nur ausweichend, bot Junqueras am Mittwoch im Parlament einen "Dialog" mit Möglichkeiten zu einem "Abkommen" an, weil Mas einen "Schritt nach vorne" gegangen sei. Er will en Vorschlag "verbessern". Nun wird die ERC-Basis gehört und am kommenden Dienstag wird Junqueras im Kongresspalast die Ergebnisse vorstellen. Die kleine Linksradikale CUP unterstützt zwar den Kurs zur Unabhängigkeit, doch sie kritisiert die Bedingungen. Sie hat schon ihre Position bestätigt, unter keinen Umständen mit den Christdemokraten gemeinsam zu kandidieren.

Aus dem spanischen Madrid hagelt es harsche Kritik. Ministerpräsident Rajoy, der jede Befragung verbieten ließ, erklärte: "Mas geht einen weiteren Schritt, der nirgendwohin führt." Für die Sozialisten (PSOE) hält das Führungsmitglied Patxi López es für "furchtbar", dass Mas sich von der "Mehrheit" in Katalonien abwende. Auch die PSOE hatte das Verbot einer Befragung unterstützt. Die neue Partei Podemos (Wir können es), die nach Umfragen die Wahlen in nächsten Herbst gewinnen könnte, verteidigt das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens. Sie hat bisher den Vorschlag von Mas nicht bewertet.