Geheimdienstkontrolle kontrovers: "Die IT-Kompetenz des Bundestags ist gleich Null"

Ist Deutschland Weltmeister oder Nulpe beim Überwachen der Überwacher? Laut dem Forscher Ben Scott ist die Bundesrepublik bestens dafür geeignet. Andere Teilnehmer einer Podiumsdiskussion sahen das ganz anders.

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Protest gegen Abhörmaßnahmen

(Bild: dpa, Peter Steffen/Archiv)

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Deutschland hat Beobachtern zufolge beste Voraussetzungen dafür, seine Geheimdienste parlamentarisch einzuhegen und transparenter zu gestalten. Die Bundesrepublik könnte "Weltmeister an Legitimität" in diesem Bereich werden, meinte Ben Scott vom "Privacy Projekt" der industrienahen "Stiftung Neue Verantwortung" am Mittwoch auf einer Konferenz in Berlin. Aus seinen historischen Erfahrungen heraus genieße Deutschland schon jetzt international größte Glaubwürdigkeit, wenn es ums Einschränken staatlicher Macht gehe.

Es sei wichtig, bei der Geheimdienstkontrolle mit gutem Vorbild voranzugehen, betonte der frühere Innovationsberater im Stab von US-Außenministerin Hillary Clinton. Mit "No Spy"-Abkommen oder gerichtlichen Klagen auf das Einhalten der Menschenrechte komme man nicht weit. Besser sei es, die USA zu überzeugen, dass vergleichbare Schritte zum Eingrenzen geheimdienstlicher Befugnisse im eigenen Interesse seien. Das Aufwerfen von Fragen auch zur Ächtung von Industriespionage oder zur Glaubwürdigkeit von Standards rund um Verschlüsselungslösungen könnten viel ausrichten.

Die Arbeit des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums bietet nach Ansicht von Insidern viel Raum für Verbesserungen. "Die IT-Kompetenz des Bundestags ist gleich Null", erklärte dessen früheres Mitglied Hartfried Wolff. Die Abgeordneten könnten so etwa nicht in Systeme des Bundesnachrichtendiensts (BND) oder des Bundesamts für Verfassungsschutz "reinschauen".

Letztlich bestünden faktisch so gut wie keine Kontrollmöglichkeiten, schon gar keine mit "dienstrechtlichen Konsequenzen". Der FDP-Politiker erinnerte an die alte liberale Forderung, bei dem Komitee einen "ständigen Sonderermittler" mit den benötigen IT-Kenntnissen einzusetzen, der die Prozesse dauerhaft prüfen könne.

So schlecht funktioniere das Kontrollgremium nicht, erwiderte Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und seit Kurzem Teil der parlamentarischen Geheimdienstbegutachter. Der Mitarbeiterstab sei aufgestockt worden, seit 2009 genieße man erweiterte Kompetenzen. Der Christsoziale räumte aber ein, dass es nicht um ein "Enthüllungsgremium" handle bei einer einzigen "drei- bis vierstündigen Sitzung pro Monat".

Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Christian Flisek, erachtete es als nötig, "in Analogie zum Bundesrechnungshof eine strukturelle Kontrolle der Geheimdienste zu bekommen". Das entsprechende Gremium müsse sachlich und personell in die Lage versetzt werden, einzelne Abteilungen der Sicherheitsbehörden "von oben nach unten zu überwachen". Derzeit gestalte sich die Kontrolle "viel zu situativ, zu reaktiv" und sei hauptsächlich auf Presseveröffentlichungen angewiesen. Er plädierte dafür, die nationalen Hausaufgaben im Geheimdienstsektor zu machen, parallel Einfluss auf die EU auszuüben und dafür auch große IT-Unternehmen als Partner mit an den Tisch zu holen. (axk)