Wem gehört die größte Biotech-Entdeckung des Jahrhunderts?

Mit einem neuen Verfahren kann man das Erbgut so einfach verändern wie nie zuvor. An der Entwicklung der Technologie waren mehrere Forscher beteiligt – jetzt streiten sie um die Patente. Es geht um Ruhm, Geld und den nächsten möglichen Nobelpreis.

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Wem gehört die größte Biotech-Entdeckung des Jahrhunderts?

Streptokokken-Bakterien. Sie besitzen ein Immunsystem, das die DNA eindringender Viren zerschneiden kann. Dieses CRISPR-System bietet enormes Potenzial für die Gentechnik.

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh

Mit dem CRISPR-System, in Anlehnung an gängige Textverarbeitungs-Befehle auch als „Suchen-und-Ersetzen-Funktion“ für DNA bezeichnet, können Wissenschaftler problemlos einzelne Buchstaben in der DNA austauschen und auf diese Weise Gene deaktivieren, defekte Gene umschreiben oder ihre Funktion verändern. Zwar hatten Forscher bereits Methoden, um gezielt DNA zu ändern und Gene einzuschleusen, aber sie waren entweder ungenau oder aufwendig, zeitraubend und teuer. Die Methode mit dem Namen CRISPR-Cas9 ist schnell, billig und funktioniert zuverlässig. Mit ihr haben Gentechniker ein Werkzeug zur Verfügung, das das bedeutendste neue gentechnische Verfahren seit dem Beginn des Biotechnologie-Zeitalter in den 1970er Jahren sein könnte.

In den vergangenen Monaten haben Forscher mit der neuen Technik bereits gezeigt, dass sie damit Mäuse von Muskelschwund und einer seltenen Leberkrankheit heilen können. Es gelang, menschliche Zellen gegen das HI-Virus immun zu machen. Und sie konnten genetisch veränderte Affen erzeugen. Sollte sie sich in der medizinischen Anwendung als sicher erweisen, wäre sie ein mächtiges Werkzeug im Kampf gegen Erbkrankheiten – zudem lockt bei ihrer Kommerzialisierung ein Milliardenmarkt.

Doch nun streiten mehrere Forscher darum, wem die Meriten daran zustehen und die Patente. Die Akteure: Emmanuelle Charpentier, derzeit Professorin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Jennifer Doudna von der University of California in Berkeley und Feng Zhang, Forscher am Broad Institute von MIT und Harvard University in Cambridge. Alle drei sind bereits an Start-ups beteiligt, die die neue Technologie nutzen.

2012 beschrieben Charpentier und Doudna in einer wegweisenden Veröffentlichung erstmals, wie man das System vereinfachen und als Gentechnik-Werkzeug zum gezielten Verändern einzelner Gene nutzen kann. CRISPR-Cas9 ist in der Natur ein Mechanismus, der in Bakterien vorkommt. Es ist eine Art Immunsystem, mit dem sich die Einzeller gegen eindringende Viren wehren. Das CRISPR-System erkennt das Erbgut der Viren und zerschneidet es.

Zhang wies 2013 als Erster nach, dass die Methode an menschlichen Zellen funktioniert. Er behauptet, dass er unabhängig von Doudnas und Charpentiers Arbeit schon zuvor die Methodik entwickelt hatte. Den Beweis ist Zhang bislang schuldig geblieben. Nichtsdestotrotz wurde seinem Institut bereits ein umfassendes Patent zugesprochen, das die Anwendung der Technologie in allen mehrzelligen Lebewesen genehmigt.

Emmanuelle Charpentier sieht das anders: „Unsere Arbeit von 2012 war die Schlüssel-Publikation, die es Wissenschaftlern ermöglichte, das vereinfachte CRISPR-Cas9-Werkzeug an ihren Zelllinien und zu Forschungs-Organismen anzuwenden", sagte sie Technology Review. "Feng Zhang hat in seiner Arbeit von 2013 unsere zitiert." Sie hält es für höchst wahrscheinlich, dass nur sehr wenige Wissenschaftler das Potenzial von CRISPR-Cas9 als Werkzeug erkannten.

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(jlu)