Wie nützlich ist Zuwanderung für den deutschen Standort?

Während Merkel für ihre Pegida-Kritik viel Lob von der Opposition bekam, gehen die Abschiebungen weiter. Wirtschaftsnahe Publizisten streiten darüber, ob und wie viel Zuwanderung Deutschland nützt

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Eigentlich sind Neujahrsansprachen von Bundeskanzlern so inhaltsleer, dass sie schon am nächsten Tag vergessen sind. In der Ära Kohl wurde sogar eine Neujahrsansprache vom Vorjahr aus Versehen wiederholt und niemand hat es gemerkt. Das war in diesem Jahr anders.

Merkel äußerte sich kritisch zur Pegida-Bewegung und bekam dafür Lob von Grünen und der Linkspartei. Besonders die Passage: "Heute rufen manche montags wieder 'Wir sind das Volk'. Aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht dazu - wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion", wurde als klare Positionierung gelobt. Kritisiert wurde sie dagegen von sämtlichen Flügeln der AfD.

Nach dem rechtskonservativen Alexander Gauland hat auch der eher auf Distanz nach rechts achtende Parteivorsitzende Bernd Lucke Merkel vorgeworfen, die Pegida-Teilnehmer als rechts abzustempeln, ohne mit ihnen geredet zu haben. Dabei hat Merkel in der Neujahrsansprache nur wiederholt, was sie bereits am 17.Dezember in Berlin erklärte. Dort hatte sie sich bereits mit dem Hinweis, dass in Deutschland kein Platz für Fremdenfeindlichkeit sei, klar von Pegida abgegrenzt, aber auch betont, dass die Bundesregierung die Sorgen der Bürger bei der Zuwanderungsproblematik ernst nehmen wolle.

Abschiebungen gehen weiter

Für Tamara S. war Merkels Rede ohne Bedeutung. Die 18jährige Tschetschenin wurde kurz vor Weihnachten aus Leipzig gewaltsam abgeschoben. Die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft seien durch das Auftreten der Polizei eingeschüchtert worden, berichten Augenzeugen einer Bürgerinitiative, die sich für die Geflüchteten einsetzt.

Die sächsische Linksparteiabgeordnete Juliane Nagel hat noch einmal auf die Dringlichkeit eines Abschiebestopps während der Wintermonate hingewiesen, den ihre Fraktion als Antrag in den sächsischen Landtag eingebracht hat. Kein Wunder, hat sich doch nicht nur die CDU-Thüringen, sondern auch CDU-Generalsekretär Volker Kauder in scharfen Worten gegen einen Abschiebestopp in den Wintermonaten gewandt, den die neue von der Linken gestellte Landesregierung beschlossen hat.

Natürlich hat auch Merkel in ihrer Neujahrsansprache keinen positiven Bezug zum Abschiebestopp hergestellt. Dass sie trotzdem auch von der Opposition und ihren Medien für ihre Rede großes Lob bekommen hat, zeigt, wie gering die Erwartungen dort sind. Wenn die sächsische CDU eine "kritische Bestandaufnahme der Zuwanderungspolitik" ankündigt, ist auch keineswegs ein Abschiebestopp in den Wintermonaten gemeint. Vielmehr stellt der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer klar:

Wir Sachsen haben in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 1.000 Menschen zurück in ihre Heimatländer geführt. Wir arbeiten daran, die Bearbeitungsfristen von heute sieben auf wieder drei Monate zu verkürzen. So haben die Betroffenen schneller Klarheit und die Zahl der Unterkünfte in Deutschland reicht wieder. Für die Union ist klar, dass abgelehnte Anträge zur Ausreise führen und wir setzen das auch durch.

Das ist ein Signal an die Pegida-Demonstranten, dass ein Teil ihrer Anliegen bei der Regierung gut verstanden werden.

"Migration ist ein Verlustgeschäft"

Argumente für Pegida lieferte auch vor einigen Tagen der Vorsitzende des wirtschaftsnahen IFO-Instituts Hans-Werner Sinn in der FAZ. Dort versuchte er die Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung zu widerlegen, nach der Deutschland von einer Zuwanderung profitiert.

"So wie die Migration derzeit läuft, läuft sie falsch", schreibt Sinn den Pegida-Demonstranten aus den Herzen und bemängelte, dass der Sozialstaat wie ein Magnet auf Zuwanderer wirke. Schließlich schreibt er noch einen Satz, mit dem er eine künftige Rede vor einer Pegida-Demonstration beginnen könnte:

Angesichts dieser Verhältnisse sollte nun endlich eine ideologiefreie und nicht vom Streben nach politischer Korrektheit getriebene Debatte über die Migrationspolitik beginnen.

Die Forderung, dass Zuwanderer künftig nur noch den Aufenthaltsstatus für ihr Heimat- , nicht aber ihres Gastlandes erhalten dürften, fehlt noch im Pegida-Programm. Sinn steht seit Jahren mit seinen ultrawirtschaftsliberalen Kurs, der auch auf einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone drängt, für jene Fraktionen des Kapitals in Deutschland, die nach rechts drängen.

Wie Lucke und andere wirtschaftsliberalen Ökonomen war er auch einer der Stichwortgeber der AfD, ohne sich politisch dort zu exponieren. Jetzt hat er mit seinen Beitrag deutlich gemacht, dass auch ein Teil der deutschen Wirtschaft schärfere Restriktionen gegenüber Zuwanderern durchaus unterstützt. Lange Zeit wurde der Wirtschaft nachgesagt, schon aus Eigeninteresse für recht offene Zuwanderungsregelungen einzutreten. Das war auch das Anliegen der von Sinn kritisierten Studie der Bertelsmann Stiftung.

Doch beide Seiten haben eines gemeinsam. Sie wollen Zuwanderung nur dann zulassen, wenn sie der deutschen Wirtschaft nutzt. Dementsprechend sollen sich Zuwanderer auch schon so präsentieren, dass sie für die Jobs, die hier niemand mehr machen will oder kann, infrage kommen. Gegenüber einem solchen Nützlichkeitsdenken ist festzuhalten, dass kein Mensch illegal ist, egal ob er der deutschen Wirtschaft nützt oder nicht.

Solche Töne wird man aber weder aus der Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin noch aus anderen Stellungnahmen der Politik in Deutschland hören und die parlamentarische Opposition ist schon mit einigen wenigen guten Worten zufriedenzustellen.