3D-Software Blender 2.73 animiert Handzeichnungen

Zwar haben die Entwickler des Open-Source-3D-Pakets ein paar große Vorhaben auf die folgende Version 2.74 verschoben – dafür kann man in der aktuellen Version 2.73 3D-Animationsfilme mit der Hand zeichnen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Gottfried Hofmann
  • Peter König
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich ist der sogenannte Grease Pencil ein Werkzeug, um mal eben schnell im Arbeitsbereich von Blender etwas zu markieren oder zu skizzieren. Für die aktuelle Version 2.73 der 3D-Software wurden seine Möglichkeiten stark erweitert, sodass man damit jetzt auch Storyboards zeichnen und diese sogar animieren kann, wie folgender Beispielfilm zeigt:

Konnte man Grease-Pencil-Striche bisher einfach nur zeichnen und wegradieren, lassen sich diese in Blender 2.73 im Nachhinein bearbeiten, wobei viele aus dem Editier-Modus für 3D-Oberflächennetze bekannte Funktionen zur Verfügung stehen. Dazu gehören Bewegen, Rotieren, Skalieren, Biegen, Scheren, Duplizieren und Spiegeln. Alle diese Modifikationen an den Strichen lassen sich auch animieren. Allerdings kann man dabei derzeit noch keine Driver benutzen – das sind Animationen, die sich relativ zu Eigenschaften anderer Objekte verhalten.

Sogenanntes Onion Skinning liefert Animatoren eine Vorschau der Bewegung, indem Bilder von verschiedenen Zeitpunkten übereinander gelegt werden. Bei der Onion-Skin-Ansicht des Grease Pencil kann man den einzelnen Zeitpunkten unterschiedliche Farben zuweisen; die Zahl der angezeigten Geisterbilder vor und nach dem aktuellen Bild kann man ebenfalls wählen.

Grease-Pencil-Zeichnungen lassen sich nun mit Farben füllen, momentan allerdings nur in Form der konvexen Hülle einer Form. Bei konkaven Formen werden Bereiche übermalt – Pac Man müsste also ohne Mund auskommen.

Da die Grease-Pencil-Striche eine definierte Position im 3D-Raum haben, können sie auch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Bislang besaßen sie nur zwei Dimensionen und wurden daher bei flacherem Bildwinkel immer schmaler, bis sie bei exakter Seitenansicht komplett verschwanden. Die neue Option "Volumetric Strokes" verleiht den Strichen ein Volumen, sodass sie aus jeder Richtung gleich breit aussehen.

Das Nutzer-Interface für den Grease Pencil wurde ebenfalls überholt und soll jetzt kompakter und übersichtlicher daherkommen, vor allem bei der Sortierung der Ebenen. Um schnell auf die zahlreichen neuen Funktionen zugreifen zu können, wurden optionale Torten-Menüs erstellt, wie sie in der vorangegangenen Blender-Version eingeführt wurden. Diese sind für den Einsatz der neuen Werkzeuge zwar nicht zwingend nötig, werden aber empfohlen, da man über sie schnell an die Funktionen für häufig anfallende Aufgaben herankommt.

Die Render-Engine Cycles unterstützt jetzt auch nVidia-Grafikkarten der 9xx/Maxwell-Serie und wurde fürs volumetrische Rendern an vielen Stellen verbessert. So können nun auch Szenen gerendert werden, bei denen sich eine Kamera innerhalb eines Meshes mit Volumen-Shadern befindet. Auch Kamerafahrten in ein solches Mesh hinein sind jetzt möglich. Feuer- und Rauchsimulationen können jetzt auch kubisch interpoliert werden, was bei niedrig aufgelösten Simulationen zu weniger blockigen Ergebnissen führt und manche Artefakte der Simulation kaschieren hilft. Die Einstellungen kann man für jeden Shader einzeln setzen.

Vergleich Renderzeit und Rauschverhalten einer Flächenlampe mit der neuen und der alten Methode

(Bild: wiki.blender.org)

Homogene Volumen werden bis zu 10 Prozent schneller gerendert. Beim "Quick Smoke"-Operator werden weniger Shader-Nodes aufgebaut, falls ausschließlich Rauch erzeugt werden soll, was ebenfalls Geschwindigkeitsvorteile bringt.

Vergleich unterschiedlicher "Max Bounces"-Werte in einer Szene mit zwei Flächenlampen

(Bild: wiki.blender.org)

Die neue Option "Max Bounces" bestimmt bei Lichtquellen, bis zu welcher Reflektionstiefe die Wirkung einer Lampe berechnet wird. Flächenlampen benötigen jetzt ein wenig länger zum Rendern, im Gegenzug wurde aber das Rauschen deutlich reduziert.

Die Ergebnisse der Freestyle-Render-Engine für nicht-fotrealistische Darstellungen (NPR) können jetzt als Vektorgrafik im Standardformat SVG exportiert werden. Diese Funktion ist als Add-on verfügbar und kann sowohl Einzelbilder als auch Animationen als SVG speichern. Animationen bestehen aus einer Serie von Einzelbildern. Geschlossene Konturen lassen sich mit farbiger Füllung exportieren; es finden sich noch einige Zusatzoptionen für ein besseres Zusammenspiel mit dem freien Vektorzeichner Inkscape. Die Effekte der Freestyle Modifier werden allerdings beim SVG-Export noch nicht berücksichtigt.

Eine mit Freestyle erzeugte Zeichnung in Inkscape geöffnet

(Bild: wiki.blender.org)

Die View Map von Freestyle lässt sich nun im Arbeitsspeicher halten, wodurch Blender nicht bei jedem Rendering die Geometrie der Szene neu analysieren muss. Das ist hilfreich, wenn viele Test-Renderings nötig sind, bei denen man nur den Linienstil verändert, nicht aber die Geometrie der Szene. Für die Verkettung von Freestyle-Linien gibt es jetzt zwei weitere Sortierverfahren. Man kann nun vorgeben, bis zu welcher Zahl von Verkettungsgliedern die Linien verbunden werden sollen.

Backdrop im Video Sequence Editor

(Bild: wiki.blender.org)

Der Video Sequence Editor verfügt nun genauso wie der Compositor über einen Backdrop – man kann auf dem Hintergrund des Arbeitsbereichs eine Vorschau einblenden lassen. Videostrips können jetzt einfacher an die Start- oder Endpunkte anderer Strips gesetzt werden. Das Slip-Tool bewegt den Inhalt eines Strips, ohne dass sich dessen Position selbst bewegt. Audio-Strips zeigen auf Wunsch standardmäßig die Wellenform der Audiosignale an – bisher musste man diese Option für jeden Strip einzeln wählen.

Das neue Layout für Motion Tracking

(Bild: wiki.blender.org)

Motion Tracking benutzt einen neuen Algorithmus, der anhand der Bewegungen eines Markers schätzt, in welcher Gegend das Feature im nächsten Frame liegen könnte. Das schränkt den Suchraum und damit den Rechenaufwand deutlich ein. Das Editor-Layout für Motion Tracking wurde zudem überarbeitet und zeigt jetzt deutlich mehr Editoren an.

In der 3D-Arbeitsansicht (Viewport) erscheint auf Wunsch auch die Welt, was insbesondere bei bislang ausgesparten Hintergrundtexturen und Texturen für die Bild-basierte Beleuchtung von Szenen sichtbar wird. Sowohl der interne Blender-Renderer als auch Cycles bieten diese Weltsicht, wobei im letzteren Fall versucht wird, die tatsächlichen Einstellungen annähernd genau wiederzugeben.

Blender stellt jeden Editor bei Bedarf auch als Vollbild komplett ohne Menüs. Fährt man mit der Maus in die rechte obere Ecke, erscheint ein Symbol zum Beenden der Vollbild-Ansicht. Zudem lassen sich Menüs per Tastenkürzel ein- und ausblenden.

Mit dem Knife Tool gezeichneter Freihand-Schnitt

(Bild: wiki.blender.org)

Das Schnittwerkzeug (Knife Tool) trennt 3D-Meshes jetzt auch entlang einer gezeichneten Freihandlinie; ein Doppelklick schließt den Schnitt zu einem Ring, fallls möglich. Bei Schnitten entlang bereits existierender Kanten selektiert Blender diese automatisch, damit das Ergebnis vorab besser zu beurteilen ist.

Oben die bisherige Funktion, eine Auswahl zu vergrößern, unten die neue

(Bild: wiki.blender.org)

Beim Vergrößern und Verkleinern einer Auswahl behält die Auswahl die quadratische Form, falls mit einer entsprechenden Topologie gearbeitet wird. Das neue Auswahl-Werkzeug "Select Similar Regions" erlaubt die Auswahl von Flächen, die eine identische Topologie aufweisen. Die Größe der Flächen spielt dabei keine Rolle.

Neben den beschrieben Neuerungen wurden zahlreiche kleinere Funktionen und Detail-Verbesserungen an der Bedienoberfläche eingepflegt. Außerdem haben die Entwickler nach eigenen Angaben zusätzlich mehr als 220 Programmfehler behoben.

Blender läuft unter Windows, Mac OS X und Linux und steht ab sofort in Version 2.73 zum Download bereit. (pek)