Gegen den Terror: Millionen demonstrieren, Innenminister verschärfen Maßnahmen

Nur wenige Tage nach der beispiellosen Terrorwelle in Frankreich treffen sich die zuständigen Minister von beiden Seiten des Atlantiks. In Paris demonstrierten 1,5 Millionen Menschen gegen Terror und für Freiheit.

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Gegen den Terror: Millionen demonstrieren, Innenminister verschärfen Maßnahmen
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Von
  • Jürgen Kuri
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Während in Paris 1,5 Millionen und in ganz Frankreich fast 4 Millionen Menschen für Freiheit und in Gedenken an die Opfer der terroristischen Anschläge auf die Satire-Zeitung Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt demonstrierten, verstärken Europa, die USA und Kanada ihren Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Die Terrorwelle, die Frankreich in diesen Tagen erlebt habe, betreffe alle Demokratien, sagte der französische Innenminister Bernard Cazeneuve am Sonntag nach dem Treffen mit zehn anderen EU-Amtskollegen. Es nahmen auch US-Justizminister Eric Holder und der kanadische Minister für öffentliche Sicherheit, Steven Blaney, teil.

"Terrorismus geht uns alle an, er macht keinen Unterschied zwischen Nationen und Kontinenten", sagte Cazeneuve. Er kündigte ein Krisentreffen der zuständigen EU-Minister in den kommenden Tagen an. Er nannte keinen Termin. Nach Angaben aus EU-Kreisen wird das Treffen für diesen Freitag in Brüssel vorbereitet.

Die Demonstration in Reims

(Bild: G.Garitan, CC BY-SA 3.0 )

"Wir beginnen den Kampf gegen den islamistischen Terror nicht erst seit heute", sagte der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Mazière. Viele Maßnahmen seien bereits vereinbart worden. "Der heutige Tag ist Anlass, das zu beschleunigen und zu vertiefen."

De Mazière forderte, mehr Informationen austauschen. Das gelte insbesondere für die Geheimdienste. Er forderte auch das Europaparlament auf, die Blockade des europäischen Fluggastdaten-Abkommens zu beenden. "Wer jetzt ein europäisches Fluggastdaten-Abkommen ablehnt, weiß nicht, was die Stunde geschlagen hat." Der Vorschlag sieht vor, Sicherheitsbehörden den Zugriff auf Daten von Fluggästen zu erlauben, die in die EU hinein oder aus der Union ausreisen.

Spanien tritt im Kampf gegen den islamistischen Terror für eine Wiedereinführung bestimmter Grenzkontrollen in der Europäischen Union ein. "Die Bedrohung durch die Dschihadisten wird nicht geringer, sondern größer", sagte der spanische Innenminister Jorge Fernández Díaz der Zeitung "El País" (Sonntag). "Nach Schätzungen sind aus Europa 3000 Kämpfer in die Konfliktgebiete in Syrien und im Irak gezogen. Etwa 20 Prozent von ihnen sind nach Europa zurückgekehrt."

Dies bedeute, dass Hunderte islamistische Terroristen sich derzeit frei in der EU bewegen könnten. Zu einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen müssten möglicherweise einige Bestimmungen des Schengener Abkommens geändert werden. "Das Recht auf Freizügigkeit würde dadurch nicht beeinträchtigt", sagte Fernández Díaz. Der konservative Minister wies darauf hin, dass Spanien auch für eine Speicherung von Fluggastdaten eintrete.

Justizminister Heiko Maas (SPD) will noch im Januar ein Gesetzespakt mit Maßnahmen für einen effektiveren Anti-Terrorkampf vorlegen. Eine von CDU, CSU und auch Teilen der SPD geforderte Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung lehnt Maas jedoch weiter ab.

Mit dem neuen Gesetzespaket könne noch härter gegen Terroristen vorgegangen werden. "Dann schaffen wir einen eigenen Straftatbestand gegen die finanzielle Unterstützung von Terrororganisationen etwa durch Spenden. Und: Die Reisen von Islamisten in Kriegsgebiete werden noch weitgehender unter Strafe gestellt – wenn zum Beispiel in Syrien ein Terrorcamp aufgesucht werden soll."

Auch Frankreich steht vor neuen Entscheidungen: Präsident François Hollande hat für Montagmorgen den für innere Sicherheit zuständigen Teil des Kabinetts zu einer Sitzung in den Élyséepalast einberufen. Dazu gehören neben Premierminister Manuel Valls auch die Ressortchefs Bernard Cazeneuve (Innen) und Christiane Taubira (Justiz). Valls hatte nach den Anschlägen bereits von neuen Maßnahmen gesprochen, mit denen auf die terroristische Bedrohung reagiert werden solle.

Am Sonntag waren in ganz Frankreich fast vier Millionen Menschen auf die Straßen gegangen, um ein Zeichen gegen den Terrorismus zu setzen. Bei einer der größten Kundgebungen der Nachkriegszeit kamen allein in der Hauptstadt Paris nach Schätzung der Organisatoren bis zu 1,5 Millionen Menschen zusammen, um gemeinsam der jüngsten Opfer des islamistischen Terrors der vorigen Woche zu gedenken. Dutzende Staats- und Regierungschefs aus aller Welt marschierten mit. Frankreichs Präsident François Hollande und Kanzlerin Angela Merkel starteten am Nachmittag untergehakt zum großen Marsch im Zentrum der Hauptstadt.

Auch in anderen europäischen Hauptstädten bekundeten Zehntausende ihre Solidarität. In Brüssel demonstrierten rund 20.000 Menschen für Redefreiheit und gegen Hass, in Berlin waren es etwa 18.000. In London wurden Wahrzeichen in blau-weiß-rot – den Farben der Tricolore, der Fahne Frankreichs – angestrahlt.

An der Spitze des Pariser Solidaritätsmarsches am Sonntag liefen Angehörige von Terroropfern. Auf Transparenten stand: "Je suis Charlie". "Je suis Charlie, policier, juif" (ich bin Charlie, Polizist, Jude) steht auf dem Schild einer jungen Demonstrantin, die damit gleich an alle Opfer der schlimmen Serie von Attentaten und Geiselnahmen der vergangenen Tage erinnert.

"Paris ist heute Welthauptstadt" - Welthauptstadt der Solidarität und Geschlossenheit, ruft Staatspräsident François Hollande aus, bevor er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas einreiht. Hollande und Merkel haken sich kurz unter. An Hollandes rechter Seite ging Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta – am zweiten Jahrestag des Einsatzes französischer Truppen gegen den Terror in Mali. An der Demonstration nahmen unter anderem auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi und EU-Ratspräsident Donald Tusk teil.

Merkel würdigte den Solidaritätszug von Paris als Kundgebung gegen die "barbarischen Ereignisse". Die Kanzlerin attestierte Frankreich "Unterstützung nicht nur aus der europäischen Union, sondern aus allen Teilen der Welt". Nach ihren Worten zeigen die Menschen damit, dass sie sich "für die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stark machen". (mit Material von dpa) / (jk)