102 Jahre alte Verstärkerröhre in Betrieb

Der Technik-Sammler Patric Sokoll besitzt eine Lieben-Röhre von 1912, als "Großmutter aller Elektronenröhren" eine der ersten nutzbaren Verstärkertrioden überhaupt. Das quecksilberdampfgefüllte Prachtstück funktioniert heute noch, wie ein Test bewies.

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102 Jahre alte Verstärkerröhre in Betrieb
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Von
  • Carsten Meyer

Etwas Überwindung kostete es Sokoll schon, die äußerst wertvolle Rarität in Gang zu setzen – schließlich sind weltweit vielleicht noch 30 Exemplare bekannt, die (wenn überhaupt) nur für fünfstellige Beträge den Besitzer wechseln, und die technischen Betriebsdaten konnte er nur schätzen. Robert von Lieben hatte sein Patent eines "Kathodenstrahlrelais" schon 1906 angemeldet, dann aber noch einige Verbesserungen vorgenommen und die erste nutzbare Verstärker-Triode dann 1910 vorgestellt. Sie wurde ab 1911 von AEG, Siemens-Osram und Telefunken in Serie produziert.

Lieben-Röhre in Betrieb: So leuchtete es früher in den Verstärkerschränken der Relaisstationen.

(Bild: Patric Sokoll)

Im Unterschied zur Hochvakuum-Triode von Lee de Forest war die Lieben-Röhre mit Quecksilberdampf gefüllt, da sich ein Hochvakuum noch nicht zuverlässig herstellen ließ und sich Lieben von der Gasfüllung vermutlich eine höhere Verstärkung versprach. Ihre Funktion beruht weitgehend auf der (recht trägen) Stoßionisation von Quecksilberatomen; die Anwendung blieb deshalb auf den Niederfrequenzbereich (Telefonie und Telegrafie) beschränkt.

Technik anschaulich: Die Trioden-Bestandteile Heizfaden, Steuergitter und Anode erkennt hier auch ein Brillenträger.

(Bild: Patric Sokoll)

Das schöne an alter Technik ist, dass man ihr die Funktion schon von außen ansehen kann: Unten im Glaskolben der Röhre befindet sich der oxidbeschichete Heizfaden, der die Elektronen freisetzt; ein Lochblech in der Mitte stellt das Steuergitter dar. Ganz oben erkennt man die aus einem gewendelten Draht bestehende Anode. Patric Sokoll konnte sogar eine Kennlinie seiner Röhre aufzeichnen, sie weist bei 250 Volt Anodenspannung eine 20- bis 30-fache Verstärkung auf. Im Unterschied zu Hochvakuum-Trioden arbeitet die Lieben-Röhre mit einer positiven Gittervorspannung.

Schon 1912 ärgerte man sich über die instabile Arbeitsweise der Lieben-Röhre, die mimosenhaft auf Umgebungstemperaturänderungen reagiert. Das ist auch bei Sokolls Exemplar so – aber immerhin: Der über 100 Jahre alte Glaskolben funktioniert noch.

Falls Sie zufällig eine Lieben-Röhre auf dem Dachboden finden: Mit dieser Schaltung nimmt man die Kennlinie auf.

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