DLD-Konferenz: Das Internet ist "kaputt und antisozial"

Die Kritiker kommen zu Wort: Auf der DLD-Konferenz blies Andrew Keen Internetmillionären wie Mark Zuckerberg den Marsch. Und Mikko Hypponen trug das freie Netz zu Grabe.

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DLD-Konferenz: Wenn dies erst der Anfang ist, muss es besser werden

Andrew Keen mag keine Internetmillionäre.

(Bild: heise online/ Detlef Borchers)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Nach dem Schmusekurs von Uber-Chef Travis Kalanick am ersten Tag konnten die Besucher der Münchener Intenetkonferenz DLD mit einem wütenden Andrew Keen die Kehrseite der Sharing Economy kennenlernen. Er forderte die bequemen, IT-hörigen Journalisten auf, genau hinzuschauen, ob Uber die versprochenen 50.000 neuen Jobs in Europa auch wirklich schafft. Wer mit dem Netz reich geworden ist, habe die Verpflichtung, die Lebensbedingungen des mit dem Netz entstandenen Prekariats zu verbessern.

Andrew Keen ist mit der Veröffentlichung seines Buches "Das digitale Debakel" der derzeit schärfste Internet-Kritiker. Auf der DLD-Konferenz mit dem programmatischen Titel "It's only the beginning" ließ er seinem Gegenüber Mike Butcher von TechCrunch kaum Zeit zum Luftholen. Er provozierte ihn immer wieder mit der Frage, was ist mit dem Arabischen Frühling geworden ist, der doch angeblich durch Smartphones und soziale Netzwerke ausgelöst wurde.

In diesen sieht Keen die ganze Schlechtigkeit der Welt: "Das Internet reflektiert die derzeitige Gesellschaft. Und wie diese aufgebaut ist und sich zu einer Überwachungsgesellschaft entwickelt, so ist auch das Internet kaputt und antisozial". Diejenigen, die wie etwa Mark Zuckerberg, Peter Thiel oder Travis Kalanick mit der Internet-Revolution reich geworden sind, hätten die moralische Verpflichtung, sich um die Verlierer zu kümmern, wie dies die Industrie-Magnaten der ersten industriellen Revolution getan haben. "Daten sind die neue Umweltverschmutzung, dieser neue Müll ist schwierig loszuwerden."

In der Weltsicht von Keen sind Zuckerberg, Bezos & Co. Menschen, die ihr großes Vermögen nicht in den Dienst der Gesellschaft stellen – solange ihre räuberische Aneignung des digitalen Reichtums von der Gesellschaft respektiert werde, statt eine Regulierung der aufgebauten Monopole in Angriff zu nehmen. "Wir brauchen mehr Verantwortlichkeit. Wenn Monopole wie die von Google oder Facebook nicht reguliert werden, ist das ganze Gerede von den Segnungen der Sharing Economy wertlos", donnerte Keen.

Mikko Hypponen trauerte im Anschluss an Keen ums freie Internet.

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Nach Keen beerdigte Mikko Hypponen stilvoll das Internet. "In den Jahren 1994/95 haben wir das Internet betreten und es war frei und offen. Das ist Vergangenheit. Die Frage ist nun, was wir unseren Kindern hinterlassen wollen." Unter Verweis darauf, dass es kein kostenloses Lunch geben kann, beschäftigte sich Hypponen mit den Folgen des Google-Monopols. Er würde Google lieber die 12 Dollar zahlen, die der Konzern mit der Auswertung seiner Daten verdiene.

Als einer der wenigen Redner der DLD beschäftigte sich Hypponen mit aktuellen Debatten, etwa der Forderung des britischen Premiers Cameron, Verschlüsselung zu verbieten. Ein solches Gesetz würde das Recht auf Privatsphäre zerstören und die verschlüsselnden Terroristen kaum davon abhalten, ihre Kommunikation zu verschlüsseln. Auch der Hinweis auf neueste Erkenntnisse zur Arbeit der NSA dank der Taten von Edward Snowden fehlte nicht in Hypponens Vortrag: "Befreundete Staaten hacken sich gegenseitig und bespitzeln ihre Bürger. Wollen wir so einen Zustand künftigen Generationen hinterlassen?" (axk)