TR35: Prepaid-Strom für Afrika

Rund anderthalb Milliarden Menschen leben ohne Anschluss ans Stromnetz. Thomas Gottschalk möchte das mit ratenfinanzierten Solaranlagen ändern.

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  • Ulrich Pontes

Rund anderthalb Milliarden Menschen leben ohne Anschluss ans Stromnetz. Thomas Gottschalk möchte das mit ratenfinanzierten Solaranlagen ändern.

Von künstlichen Organen bis zu betankbaren Akkus: Zum zweiten Mal kürt Technology Review die innovativsten Köpfe unter 35. Die 10 Gewinner zeigen, was die Zukunft bringen wird.

Technology Review: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ländliche Regionen Afrikas mit Elektrizität zu versorgen?

Thomas Gottschalk: Ich bin nach meinem Studium mit einem solarbetriebenen Fahrzeug in anderthalb Jahren um die Welt gefahren. Dabei konnte ich sehen, woran es den Menschen fehlt und mir ein Netzwerk aufbauen. 2010 hat mir dann mein Mitgründer von der Idee erzählt, zwei Revolutionen zu kombinieren: die solare, bei der innerhalb von etwa zehn Jahren der Preis von Photovoltaik-Anlagen um 90 Prozent gesunken ist, und die Mobilfunkrevolution.

In den sich entwickelnden Ländern überspringt man nämlich das Festnetz. Inzwischen haben über 80 von 100 Erwachsenen im Afrika südlich der Sahara ein Handy.

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Der Umweltingenieur, Gründer und CEO von Mobisol hat mit dem Showmaster außer dem Namen nichts gemeinsam. Sein Start-up hat inzwischen rund 400 Mitarbeiter und kombiniert Solarpaneele aus Kenia und China mit einer deutschen Steuerelektronik und passenden Geräten, insbesondere LED-Lampen. Die Anlagen werden in Ländern südlich der Sahara vertrieben, um dort Haushalte mit Elektrizität zu versorgen.

TR: Wieso setzt Elektrifizierung Mobilfunk voraus? Ist es nicht umgekehrt?

Gottschalk: Nein, Handys sind in ländlichen Gegenden viel verbreiteter als ein Stromanschluss. Für uns ist der Mobilfunk aus mehreren Gründen essenziell. Zum einen hat sich in Afrika mit Mobile Money ein Zahlungssystem durchgesetzt, das unser Geschäftsmodell erst möglich macht. Die Kunden zahlen die Solaranlagen über drei Jahre mit Monatsbeträgen zwischen 10 und 45 Dollar ab.

Mit Bargeld wäre das zu aufwendig und die Gefahr, dass Geld verschwindet, zu groß. Zum anderen setzt auch die Steuerung unserer Anlagen auf Mobilfunktechnik. So können wir aus der Distanz nachschauen, was gegebenenfalls repariert oder ausgetauscht werden muss. Ohne das wäre der Service, den wir anbieten, zu teuer.

TR: Aber wie groß ist die Zahlungsmoral, wenn kein Mitarbeiter vor Ort ist?

Gottschalk: Wir können auch jede Anlage aus der Ferne ausschalten. Ohne dieses Druckmittel wäre der Anreiz, auch tatsächlich regelmäßig zu zahlen, für manche sicherlich zu gering.

TR: Nun hat Mobisol vor einiger Zeit verkündet, ein Megawatt Gesamtleistung installiert zu haben. Welchen Unterschied macht das für Afrika? Allein in Deutschland sind Solaranlagen mit knapp vierzig Gigawatt Leistung in Betrieb.

Gottschalk: Ein Megawatt ist vergleichsweise popelig, das stimmt. Aber entscheidend ist nicht die Leistung, sondern die Zahl der Haushalte. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Unsere LED-Lampen verbrauchen ein oder zwei Watt statt jene 60 bis 100 Watt einer Glühbirne. Dank derartiger Effizienzsprünge können unsere Anlagen mit 30 bis 200 Watt Maximalleistung einen kompletten Haushalt versorgen. Wir haben bereits 10000 Haushalte elektrifiziert. Wir gehen davon aus, bis 2018 eine Million Haushalte zu erreichen, langfristig hoffentlich einige Hundert Millionen.

TR: Was ändert sich, wenn diese Haushalte Strom bekommen?

Gottschalk: Ursprünglich dachte ich ja, wir tragen zur CO2-Eindämmung bei. Inzwischen zeigt sich jedoch ein riesiger sozialer Impact. Zum Beispiel können Kinder einfach besser lernen, wenn sie LED-Licht statt einer Kerosin-Lampe haben. Ein Drittel unserer Kunden betreibt mit dem Strom kleine Geschäfte – sie verkaufen kalte Getränke, laden Handys für Nachbarn und ähnliches. Das generiert pro Kunde und Jahr im Schnitt 350 Euro Umsatz. Multipliziert man das mit einer Million Haushalten, sieht man, dass daraus ein echter Wirtschaftsfaktor werden kann.

(bsc)