Flüchtlingshass in Zeiten von Pegida

Seit Beginn der Pegida-Demonstrationen hat sich die Gewalt gegen Migranten verdoppelt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Organisationsteam von Pegida haben mehrere Führungsmitglieder ihre Funktion aufgegeben. Damit ist der Streit über die Zukunft dieser Bewegung auch in Dresden angekommen. In NRW gibt es diese Auseinandersetzung seit Wochen, auch zwischen den Organisatoren in Leipzig und Dresden war der Zwist groß.

Es geht um die Frage, ob sich die Bewegung in die bürgerliche Politik einspeisen, mit der AfD kooperieren oder noch weiter rechts andocken soll. Doch selbst beim Rücktritt geriert sich das Pegida-Führungspersonal weiter als Opfer. So heißt es auf der Pegida-Homepage, die Sprecherin Oertel habe ihr Amt wegen "massiven Anfeindungen, Drohungen und beruflichen Nachteilen" niedergelegt.

Keine Rolle dürfte bei den Rücktritten gespielt haben, dass Report Mainz am Mittwochabend nachgewiesen hat, dass in Zeiten von Pegida der Rassismus in Deutschland gestiegen ist. So habe sich die Gewalt gegen Migranten und Flüchtlingsheime seit Oktober 2014 mehr als verdoppelt.

Für diese Auflistung wurden die Meldungen der Agenturen, Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehberichte, Pressemitteilungen der Polizei sowie Chroniken der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie systematisch ausgewertet. Verglichen wurde das letzte Vierteljahr, der erste Pegida-Aufmarsch fand am 20.10. 2014 statt, mit dem Drei-Monatszeitraum davor:

Während es in den drei Monaten vor Pegida laut Zählung von REPORT MAINZ bundesweit 33 Übergriffe auf Migranten und Flüchtlinge gab, hat sich seit Beginn der Pegida-Demonstrationen die Zahl mit 76 Übergriffen mehr als verdoppelt. Das entspricht einer Zunahme von 130 Prozent. Das bedeutet, dass es nun mehr fast täglich zu Übergriffen kommt. Vor den Pegida-Demonstrationen geschahen Übergriffe nur jeden dritten Tag. Solche Veränderungen gibt es für die vergleichbaren Zeiträume (Sommer- versus Wintervierteljahr) weder in 2013 noch in 2012.

Ist Pegida Ursache oder Ausdruck des rassistischen Klimas?

"Pegida hat ein Klima entfesselt, das Gewalt gegen Migranten, vor allem aber Muslime will. Die Erhöhung um über 100 Prozent an Gewalt gegen Schwächere ist beschämend für die Republik, für uns alle", erklärte der Politikprofessor Hajo Funke. Dieser Befund wird auch von Pro Asyl und der zivilgesellschaftlichen Antonio Amadeu Stiftung geteilt. Sie haben vor wenigen Tagen eine Studie vorgestellt, die eine Zunahme der Gewalt gegen Geflüchtete anzeigt (2014: Wöchentlich drei Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte).

Beide Organisationen sprechen von einem Klima der Angst bei Geflüchteten, die besonders in Sachsen spürbar sei. Allerdings stellt sich die Frage, ob Pegida die Ursache oder nicht nur ein Ausdruck für eine zunehmende rassistische Stimmung ist.

Der ungeklärte Tod von Khaled Idriss Bahray

Doch in der großen Öffentlichkeit dringen solche Nachrichten kaum durch. Das zeigte die Reaktion auf den Tod des Flüchtlings Khaled Idriss Bahray, der in Dresden erstochen wurde. Zunächst wollte die Polizei kein Fremdverschulden feststellte und erntete dafür viel Kritik. Flüchtlingsorganisationen und antirassistische Gruppen vermuteten einen rassistischen Hintergrund und organisierten mehrere Demonstrationen. Als dann angeblich ein Mitbewohner im Flüchtlingsheim für den Tod von Khaled Idriss Bahray verantwortlich gemacht wurde, ebbte das Interesse schnell ab. Zu seiner Beerdigung in Berlin kamen fast nur Verwandte und Mitbewohner. Dabei ist sein Tod bis heute nicht restlos aufgeklärt.

So spielten wohl nach ersten Angaben Drogen keine Rolle. Auch das angebliche Geständnis des Mitbewohners muss mit Fragezeichen versehen werden. Erinnert sich noch jemand an Safwan Eid? Der libanesische Flüchtling wurde beschuldigt, für den Brand in einem Lübecker Flüchtlingsheim, bei dem mehrere Menschen zu Tode kamen, verantwortlich zu sein. Ein Pfleger will ein Geständnis gehört haben. Nach mehrjährigen Prozessen wurde klar, dass Eid mit dem Brand nichts zutun hatte. Aber auch die jungen Rechten, die sich in der Nähe des Tatorts aufgehalten hatte, Brandspuren an der Kleidung hatten und sich sogar mit der Tat gebrüstet hatten, gingen straffrei aus.

Eine Gemeinsamkeit zwischen den Brandanschlag in Lübeck und dem Mord in Dresden gibt es: Ein rassistisches Tatmotiv soll in einer Zeit ausgeschlossen werden, wo das Klima, wie Report Mainz und Pro Asyl zeigten, rassistischer wird.