IBM-Superhirn Watson soll E-Mail organisieren helfen

Die Flut von E-Mails überfordert viele Büroarbeiter. Mit künstlicher Intelligenz will IBM ihnen dabei helfen, schneller Wichtiges von Unwichtigen zu unterscheiden. Auch ein persönlicher Assistent ist geplant.

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Von
  • Andrew Rosenblum

Die Flut von E-Mails überfordert viele Büroarbeiter. Mit künstlicher Intelligenz will IBM ihnen dabei helfen, schneller Wichtiges von Unwichtigen zu unterscheiden. Auch ein persönlicher Assistent ist geplant.

Jeden Tag werden mehr als 100 Milliarden berufliche E-Mails geschrieben, doch nach einer Untersuchung ist nur ein Viertel davon wirklich von Bedeutung. IBM will dazu beitragen, diese Last zu verringern. Im Februar startet das Unternehmen Tests mit einem neuen E-Mail-Dienst namens Verse, der mit Algorithmen herausfindet, welche Mails und Menschen für den jeweiligen Nutzer am wichtigsten sind.

Im Frühjahr dann soll Verse als fertiges Produkt herausgebracht werden. Bald darauf soll der Dienst zudem einen persönlichen Assistenten erhalten, der auf der Watson-Software beruht, mit der IBM im Jahr 2011 zwei menschliche Jeopardy!-Champions geschlagen hat. Die fertige Version des Dienstes ist für Privatnutzer und kleine Unternehmen kostenlos, größere Unternehmen müssen dafür bezahlen; abgerechnet wird nach Datenvolumen und Zahl der Nutzer.

Gmail und einige andere Dienste scannen ebenfalls den Inhalt von E-Maila, um bei ihrer Verwaltung zu helfen. Gmail allerdings konzentriert sich dabei vor allem darauf, von Menschen geschriebene Mails von automatischen Computer-Botschaften zu unterscheiden. Verse dagegen hat sich die schwierigere Aufgabe vorgenommen, zu erkennen, welche Mails von anderen Leuten am wichtigsten oder dringlichsten sind.

Der Dienst vereint einen E-Mail-Client, einen digitalen Kalender, interne Kollaborationswerkzeuge, Video-Chat und Inhalte aus sozialen Netzen wie Twitter und Facebook unter einer einheitlichen Oberfläche. Um zu verstehen, welche Kontakte für einen Nutzer am wichtigsten sind, analysiert Verse seine Kommunikationsmuster; wichtige Mails werden dann entsprechend hervorgehoben. Eine Werkzeugleiste bietet direkten Zugriff auf die neusten Mails von Personen, die als die wichtigsten Kontakte angesehen werden (wobei der Nutzer die Festlegungen von Verse korrigieren kann).

„Statt zu versuchen, der endlosen Flut von eintreffenden E-Mails zu folgen, bekommen Nutzer von dem System gezeigt, worauf sie sich konzentrieren sollten“, sagt Kramer Reeves, Leiter für Kollaborationslösungen bei IBM.

Laut Chris Schmandt, Leiter des Living Mobile Lab im MIT Media Lab, betritt Verse damit ein bereits gut besetztes Gebiet. Das verbreitete und schwierige Problem des E-Mail-Managements hat über die Jahre schon viele Forschungsprojekte und Produkte hervorgebracht. Neben Gmail von Google gibt es Systeme, bei denen der Absender eine Aktion oder Aufgabe in seine E-Mail integrieren kann; Empfänger können dann bestätigen oder Termine für die Erledigung angeben.

„Das alles funktioniert bis zu einem gewissen Grad. Bis zu einem gewissen Grad funktioniert es aber auch nicht“, sagt Schmandt. Für IBM wird es seiner Ansicht nach schwierig werden, nicht dasselbe Schicksal zu erleiden.

Zum einen kann sich jeden Tag oder jede Woche ändern, welche Nachrichten für einen Nutzer am wichtigsten sind, sagt Schmandt, der Verse noch nicht selbst ausprobiert hat. Laut IBM kommt der Dienst damit zurecht, denn er kenne „Ihre Rolle im Unternehmen“. Schmandt ist jedoch skeptisch. Viele Beschäftigte würden mehrere und immer neue Rollen einnehmen, wenn sie an Projekten arbeiten, mit Kunden zu tun haben und E-Mail für ihr Privatleben nutzen.

„Zum Beispiel ist es schwierig, einem System beizubringen, dass ich immer mit meinem Bruder sprechen möchte, auch wenn wir uns nur selten E-Mails schreiben“, sagt Schmandt. „Oder würde man sagen, dass mein Chef wichtig ist, obwohl er mir nur selten schreibt? Oder sind Kollegen, vielleicht direkte Untergebene, oder sogar Praktikanten wichtiger, weil ich mit denen täglich kommuniziere?“.

Nach dem, was er bislang davon gesehen habe, scheine Verse eine attraktive Bedienoberfläche zu haben, lobt Schmandt immerhin. „Einfache Bedienung ist entscheidend, um Leute zu neuen Kommunikationstechnologien zu holen“, sagt er.

Der Produktstart von Verse ist für Ende März geplant, bald darauf will IBM auch den auf Watson basierenden persönlichen Assistenten dazu anbieten. Dem können Nutzer dann zum Beispiel eine E-Mail schicken, um ein Meeting mit einer Liste von Kontakten zu verabreden. Die E-Mails dafür werden automatisch vom Assistenten erstellt und versandt. Ebenfalls möglich wäre eine Hinweisfunktion, wenn eine neu geschriebene E-Mail den falschen Ton zu treffen scheint, also zum Beispiel feindselig, nach einer Ausrede oder unsicher klingt.

(sma)