Ukraine: Humanitäre Katastrophe

UN-Hilfswerk braucht neue Mittel, um hungernde Bevölkerung in den Bürgerkriegsgebieten zu versorgen. IWF bereitet gigantisches Kreditpaket vor

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Die UN Hilfsorganisation World Food Programme berichtet von einer sich ausweitenden humanitären Katastrophe im Osten der Ukraine. 110.000 Menschen würden dort vom WFP einmalige Monatsrationen vom WFP erhalten. In den Kampfgebieten seien die lokalen Märkte zusammengebrochen, so Carlo Scaramella der beim WFP als stellvertretender Direktor den Bereich Naher Osten, Osteuropa und Zentralasien betreut.

"Die humanitäre Lage in Donezk und Luhansk hat sich in den letzten Monaten weiter verschlechtert. Immer mehr Menschen fliehen aus ihren Häusern und suchen Schutz bei entfernten Verwandten, in Containern und sogar Zugwaggons."
Carlo Scaramella, WFP

Die Lebensmittel für die Rationen würden in der Region aufgekauft. Dort, wo die Kämpfe die Märkte und Handelsinfrastruktur nicht zum Erliegen gebracht haben, verteilt das WFP Einkaufsgutscheine. 80.000 Menschen könne so geholfen werden. Überwiegend seien es Ältere und Alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern.

Die Organisation betont, dass durch die Verwendung von Gutscheinen die lokale Ökonomie gestärkt werden soll. Nach ihren Angaben ist sie in den letzten Jahren dazu übergegangen, wenn möglich eher Gutscheine und auch Bargeld statt Lebensmittel zu teilen. Dieser Weg werde vor allem in Städten gegangen, wo meist nicht die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, sondern mangelnde Kaufkraft die Ursache von Hunger und Unterernährung sei. Dieser Ansatz habe außerdem die beiden Vorteile, dass erhebliche logistische Kosten vermieden und die lokale Wirtschaft gestärkt werden könne.

Unterdessen seien in der Ukraine mehr als eine Million Menschen geflohen. Viele hätten inzwischen ihre Ersparnisse aufgebraucht, seien arbeitslos und sehen sich zugleich einer erheblichen Inflation gegenüber. Brot und Milchprodukte seien binnen Jahresfrist um 30 Prozent teurer geworden, Fleisch und Käse gar um 80 Prozent. Seit August 2014 habe das WFP 21,4 Millionen US-Dollar in der Region ausgegeben, weitere neun Millionen US-Dollar würden benötigt, um die Arbeit bis Juni fortsetzen zu können.

Mit ganz anderen Summen jongliert derweil der Internationale Währungsfonds (IWF), der gerade ein neues Kreditpaket vorbereitet. Ende des Monats oder Anfang des nächsten wird der IWF-Vorstand entscheiden, ob die Ukraine über vier Jahre verteilt einen neuen Kredit in Höhe von rund 17,5 Milliarden US-Dollar bekommt. Dieser soll in ein größeres Finanzpaket von 40 Milliarden US-Dollar eingebettet werden. Allerdings scheinen sich einige der potentiellen Geldgeber noch zu zieren. Jedenfalls geriet IWF-Sprecher Gerry Rice auf einer gestrigen Pressekonferenz des Fonds kräftig ins Schlingern, als nach diesen gefragt wurde.

Das Zögern der widerwilligen Financiers ist nicht weiter verwunderlich, denn solche Summen werden vermutlich niemals zurück gezahlt werden können. 2013 betrug das Bruttonationaleinkommen der Ukraine lediglich 178 Milliarden US-Dollar. Seitdem hat die ukrainische Währung an den Devisenmärkten über die Hälfte ihres Wertes verloren und die Wirtschaftskraft schrumpfte nach IWF-Angaben um 7 bis 7,5 Prozent. Außerdem sind inzwischen die wichtigen Industriegebiete im Osten des Landes durch den Bürgerkrieg verheert. In der Rating-Karte der FAZ (basierend auf Bloomberg-Daten) ist die Ukraine als einiziges europäisches Land in der niedrigsten Bonitätsklasse eingezeichnet, also noch hinter Ländern wie Albanien, Moldawien oder Serbien.