Das große Maut-Rechnen

Bei der Pkw-Maut geht es ganz nüchtern ums Geld. Der Aufwand für die umstrittene Operation lohnt sich nur, wenn nennenswerte Einnahmen herauskommen. Wie sicher sind die Prognosen?

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Pkw-Maut

Die Pkw-Maut geht an diesem Donnerstag zur ersten Beratung in den Bundestag.

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Meyer
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Wenn die Pkw-Maut an diesem Donnerstag zur ersten Beratung in den Bundestag kommt, geht es um zwei Garantien - und eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit. Da ist das zentrale Versprechen der schwarz-roten Koalition, dass wirklich kein deutscher Autofahrer am Ende draufzahlt. Zweitens muss das Gesetzespaket zwingend EU-Recht einhalten, das eine Benachteiligung von Ausländern untersagt. Der dritte wichtige Punkt lässt sich vorerst aber nur schätzen: Wie viel bringt die Maut voraussichtlich für Verkehrsinvestitionen ein? Das große Rechnen hat begonnen, denn der Aufwand muss sich ja lohnen.

Inländische Autobesitzer sollen die Maut voll über eine geringere Kfz-Steuer ausgeglichen bekommen. Zahlen müssen sie die "Infrastrukturabgabe" aber auch - als Jahresgebühr für durchschnittlich 74 Euro. Zusammenkommen sollen so rund 3 Milliarden Euro, wie die Experten des Verkehrsministeriums berechneten. Der Etat von Ressortchef Alexander Dobrindt (CSU) erhält dafür entsprechend weniger aus Steuermitteln, so dass nichts zusätzlich hereinkommt. Die Summe wird künftig aber von vornherein für Verkehrszwecke reserviert.

Entscheidend ist also die Anzahl der Pkw aus dem Ausland, die echte Mehreinnahmen bringen sollen. Laut Prognose erwartet Dobrindt 696 Millionen Euro pro Jahr. Dabei dürften mehr als drei Viertel der Fahrer eine Jahresmaut kaufen - die meisten davon dürften wiederum Geschäftsreisende sein, die ohne Übernachtung herkommen. Dabei nimmt das Ministerium an, dass Firmen lieber die unkomplizierte Jahresgebühr wählen, auch wenn sie etwas teurer ist als eine Kurzzeitmaut. Eine solche Zehn-Tages-Maut (10 Euro) dürften wohl 22 Prozent der Pkw-Fahrer aus dem Ausland kaufen, besonders für Urlaubsreisen. Dass eine Zwei-Monats-Maut (22 Euro) gefragt sein wird und viel einbringt, erwartet das Ministerium dagegen selber nicht.

Pkw-Maut

Erst verlangte die CSU im Wahlkampf eine "Pkw-Maut für Ausländer", dann sollte es eine Infrastrukturabgabe für alle Straßen werden. Verkehrsminister Dobrindt legte schließlich einen Gesetzentwurf vor, der eine Maut für Inländer auf Autobahnen und Bundesstraßen, für Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen vorsieht. Kontrolliert werden soll das ganze über eine elektronische Kennzeichenerfassung - dies ist aber nur einer der Punkte, die Kritiker an den Plänen bemängeln.

Wegen Unsicherheitsfaktoren in den Schätzungen haben die Experten einige Sicherheitspuffer eingebaut. So wurden die Einnahmen der "gebietsfremden Pkw" von errechneten 733 Millionen Euro um fünf Prozent gekürzt - damit bleiben eben jene 696 Millionen Euro. Der Abschlag soll auch Rückzahlungen an Inländer abdecken, die gar nicht auf mautpflichtigen Autobahnen und Bundesstraßen fahren. Zudem rechnete das Ministerium erklärtermaßen konservativ und legte zum Beispiel bei ausländischen Pkw einen höheren Anteil von Modellen mit Benziner-Antrieb zugrunde als im Inland - sie zahlen geringere Maut.

Wie viel am Ende übrig bleibt, hängt schließlich an den Kosten des Mautsystems. Die laufenden Ausgaben beziffert das Ministerium in seiner Prognose mit jährlich 202,5 Millionen Euro. Der Großteil bekommt ein privater Mautbetreiber als Vergütung, dazu kommen weitere Kosten, wie etwa für die Kontrollen. Werden die Einnahmen von ausländischen Pkw um diesen Betrag reduziert, ergibt sich nach Dobrindts Rechnung der endgültige Ertrag der Maut: 493,5 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kommen aber noch einmalige Kosten für den Aufbau des Systems in Höhe von 379 Millionen Euro, die den Ertrag ebenfalls schmälern.

Dobrindt hat seine Prognose eigens gutachterlich bestätigen lassen. Grüne und Linke warnten dagegen schon lautstark vor "Luftbuchungen" und einer "Milchmädchenrechnung". Allerdings gibt es auch in der Fachwelt Zweifel. Der Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger, der schon Studien für den mautkritischen Autofahrerclub ADAC erstellt hat, hält knapp 700 Millionen Euro von Wagen aus dem Ausland weiterhin nicht für realistisch. Zu erwarten seien nur rund sieben Millionen individuelle Mautzahler aus dem Ausland im Jahr und nicht wie vom Ministerium angenommen knapp 24 Millionen. "Das ist ein spielentscheidender Unterschied für die Einnahmen." Wie wasserdicht Dobrindts Rechnung ist, wollen die Parlamentarier nun durchleuchten. (mre)