Filmpiraten durch FPÖ-Klage in ihrer Existenz bedroht

Dabei war der Ausgangspunkt eine durch die rechte Partei getätigte Urheberrechtsverletzung

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Antifaschistische Medienarbeiter kennen das Problem. Da werden Texte, Fotos oder Videos von Medien der Rechten ohne Erlaubnis benutzt und für deren Propaganda instrumentalisiert. In der Regel genügt es, wenn die linken Medienleute eine Abmahnung schreiben, um diese rechten Aneignungsversuche zu beenden.Das dachte sich auch das Erfurter Kollektiv Filmpiraten, das seit mehr als 10 Jahren Videos vonsozialen Protesten ins Netz stellt.

Initiiert wurde das Medienprojekt 2004 von jungen Linken im Umfeld des besetzten Hauses auf dem Areal des ehemaligen Topf & Söhne-Geländes in Erfurt. Dieses Unternehmen hat an der Produktion von Verbrennungsöfen nach Auschwitz profitiert. Die Bewohnerund Unterstützer des im April 2009 geräumten Gebäudes haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Geschichte von Topf & Söhne bekannt und in Erfurt ein Gedenkort eingerichtet wurde. Zu den bekanntesten Videoarbeiten der Filmpiraten gehört der Film "Topfgang", der einen Rundgang durch das damals noch besetzte Topf & Söhne-Gelände 2005 dokumentiert.

In den letzten Jahren erweiterte sich der Radius der Berichterstattung der Filmpiraten. So berichteten sie auch über das Verfahren gegen den Jenaer Josef S.in Wien. Die österreichische Justiz hatte dem Studenten schweren Landfriedensbruch bei Protesten gegen jährlichen Wiener Akademikerball 2013 vorgeworfen. Dazu lädt die rechtspopulistische FPÖ alljährlich Ende Januar Politiker der rechten Szene Europas ein. Wegen der monatelangen Untersuchungshaft trotz unklarer Beweislage sprachen Menschenrechtsorganisationen von Kriminalisierung des jungen Deutschen. Selbst in der konservativen Welt wurde er nicht vorschnell in die Chaotenecke gestellt. Der JenaerSPD-Oberbürgermeister Albrecht Schröder verlieh S. im vergangenen Jahr einen Preis für Zivilcourage.

Die FPÖ stellte Ausschnitte eines Videoberichts der Filmpiraten über den Prozess gegen Josef S. und die Preisverleihung auf ihren Kanal FPÖ-TV. "Sie haben die Aufnahmen in einen neuen Kontext gesetzt und gleichzeitig gegen die CC-Lizenz verstoßen, die nicht-kommerzielle Nutzung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen voraussetzt", erklärte der Videojournalist Jan Smendek vom Verein der Filmpiraten gegenüber Telepolis.

Doch die FPÖ reagierte mit einer juristischen Strategie, die für die Filmpiraten existenzgefährdend sein könnte. Sie verklagte den Verein vor dem Wiener Handelsgericht. "Sie werfen uns vor, falsche Behauptungen zu stellen und damit die Meinungsfreiheit der FPÖ zu behindern. In der Anklage berufen sie sich auf die freie Meinungsäußerung in Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention", erklärt Jan Smendek. Dass die FPÖ mit dem Versuch juristisch Erfolg hat, die Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung in eine Verletzung der Meinungsfreiheit umzukonstruieren, sei unwahrscheinlich. Doch die mit dem Verfahren verbundenen Kosten belasten die Filmpiraten schon heute.Der Streitwert beträgt 35.000€. Zusätzlich werden den Filmpiratinnen und Filmpiraten 2698,13€ in Rechnung gestellt.

Strategie der FPÖ gegen ihre Kritiker

Mittlerweile wurde bekannt, dass die FPÖ auch in Österreich Kritiker der Partei mit einer Klagewelle überzieht. Unter der Überschrift "Linksaktivisten klagen über FPÖ-Klagen" berichtete der Wiener Kurier im Januar 2015 über eine Pressekonferenz, auf der mehrere antifaschistische Organisationen über existenzgefährdende juristische Manöver der FPÖ zu Wort kamen.

Dort informierte die Initiative "Heimat ohne Hass", die rechte Aktivitäten in sozialen Medien dokumentiert, über eine Urheberrechtsklage. Der für antifaschistische Initiative existenzbedrohende Streitwert betrage 33.400 Euro.

Auch der ehemalige Kriminalbeamte und Datenforsensiker Uwe Sailer geriet durch seine klare Ablehnung der FPÖ ins Visier der rechten Partei. So heißt es auf der Homepage der Internetplattform Linkswende: "Seit 2008 wird der fleißige Nazi-Aufdecker und Kenner der rechten Szene, Uwe Sailer, gezielt von der FPÖ verleumdet. Er soll mittels Klagen in den finanziellen Ruin getrieben werden." Die Freiheitlichen hätten gegen Sailer mehr als 70 Anzeigen, unter anderem wegen angeblichen Amtsmissbrauchs und Urheberrechtsverletzungen gestellt. Alle Verfahren seien letztlich eingestellt und Sailer entlastet worden. Doch einen Teil der Verfahrenskosten musste er selbst begleichen.

Im Gespräch mit der Linkswende erklärte Sailer: "Die FPÖ bringt etwa eine Urheberrechtsklage mit einem Streitwert von 1.600 Euro ein. Kurz vor der Verhandlung zieht sie die Klage zurück und man bleibt als Beschuldigter trotzdem auf 400 Euro für Gericht und Anwalt sitzen."

"Die durch die österreichische Parteienfinanzierung solvente Partei versucht ihre Kritiker mit den Klagen finanziell unter Druck zu setzen",kritisiert ein Autor der Linkswende.

Vergleich, der der FPÖ nutzt

Auch für die Filmpiraten könnte die Auseinandersetzung noch monatelang weitergehen. "Nach fünfzehn Minuten intensiver Gerichtsverhandlung wurde der Prozess auf unbestimmte Zeit vertagt", berichtet Smendek über die erste Verhandlung am 26. Februar vor dem Wiener Handelsgericht.

Es habe einen hitzigen Schlagabtausch zwischen den Anwälten der beiden Parteien gegeben. Der Anwalt der FPÖ habe die Partei als Opfer der Unterlassungsaufforderung der Beklagten hingestellt, heißt es in einem Prozessbericht. Der Richter habe beide Seiten zu einem Vergleich gedrängt, dem die FPÖ bereits zugestimmt hat. Danach nehmen beide Seiten ihre Anzeigen zurück. Damit würden die Filmpiraten auf mehreren tausend Euro Gerichtskosten sitzen bleiben. Zudem würde der Ausgangspunkt des Verfahrens, die Urheberrechtsverletzung durch die FPÖ, nachträglich legalisiert. Daher ist sich Smendek ziemlich sicher, dass die Filmpiraten dem Vergleich nicht zustimmen werden und daher weiter auf Unterstützung angewiesen sind und haben eine Spendenkampagne initiiert.