Ex-BND-General: NSA wollte Wirtschaftsspionage betreiben

Ein früherer BND-Abteilungschef hat bestätigt, dass die NSA die in der Operation Eikonal abgefischten Daten nach Stichwörtern wie "EADS" oder "Eurocopter" durchforsten wollte. Killerdrohnen hätten per "Glückstreffer" gefüttert werden können.

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Ex-BND-General: NSA wollte Wirtschaftsspionage betreiben

(Bild: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann / NSA)

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Dieter Urmann, vormals Leiter der Abteilung Technische Aufklärung beim Bundesnachrichtendienst (BND), hat erstmals öffentlich eingeräumt, dass die NSA einen Frankfurter Netzknoten der Deutschen Telekom nicht nur deshalb ausspähte, um Terrorismus oder Waffenproliferation zu bekämpfen. Der pensionierte Brigadegeneral bestätigte am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags einen Bericht, wonach es der US-Geheimdienst im Kooperationsprojekt Eikonal etwa auch auf "EADS", "Eurocopter" und "französische Behörden" abgesehen hatte.

Dies sei anhand einer Liste von "Selektoren" aufgefallen, die der ausländische Partner dem BND unterzujubeln versuchte, führte der 63-Jährige während seiner Zeugenvernehmung aus. Generell komme bei einem Projekt dieser Größe "jeden Tag etwas anderes vor, nicht nur so ein Ding". Prinzipiell sei aber von vornherein festgelegt worden, "dass keine deutschen Staatsbürger oder Firmen ausgewählt werden sollten".

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Zuvor hatte ein BND-Techniker nur als "rein theoretisches Beispiel" einen Wunsch der US-Seite ins Spiel gebracht, EADS zu beschatten, das sich mittlerweile in Airbus Group umbenannt hat. Wichtige Bereiche der Firma sind in Ottobrunn bei München angesiedelt. Der Untersuchungsausschuss hat jüngst einen heise online vorliegenden Beweisbeschluss gefasst, wonach der BND vollständig Auskunft darüber geben soll, inwiefern die NSA "Aufklärung gegen deutsche Ziele oder Interessen" versucht oder betrieben hat.

Akten haben die Abgeordneten auch zu einem "Kontrollsystem" angefordert, das der BND in der Operation Eikonal eingesetzt haben soll. Urmann bestätigte, dass es ein solches zusätzliches Sicherheitsprogramm "direkt am Abgriffspunkt" gegeben habe. Unterlagen existierten dazu aber nicht, da die "Begleitmaßnahme" in "sehr kleinem Kreis" gehalten worden sei. Seines Wissens nach haben sich dabei aber keine weiteren Auffälligkeiten ergeben.

Die NSA hätte vom BND "am liebsten Rohdaten" von dem Netzknoten bekommen, berichtete Urmann. Seit er von 2003 an für das Projekt zuständig gewesen sei, seien die Internetverkehre aber mit einer Anordnung nach dem G10-Gesetz abgezweigt und daher Daten Deutscher ausgefiltert worden. Informationen, die sich auf Frankreich, Belgien, Spanien oder Polen beziehen, seien nicht aussortiert worden.

Die Amerikaner erhielten generell Metadaten, "möglicherweise waren auch Inhalte dabei", erklärte Urmann. Ob auch bei den Verbindungsdaten die Filter funktionierten, sei bei Eikonal "sicher nur stichprobenartig" geprüft worden. Die Informationen seien NSA-Mitarbeitern in der BND-Dienststelle Bad Aibling "per CD und Handkurier" übergeben worden. Da es nicht um den "ganzen Leitungsstrom" gegangen sei, habe es sich um "keine großen Datenvolumina" gehandelt. In Systeme der anderen Seite seien die selektierten Mengen nicht direkt eingeflossen. Es habe auch keine Möglichkeit gegeben, "Daten irgendwohin zu übertragen".

Einen direkten Datenfluss zur NSA vom Provider, wie ihn eine Folie aus dem Snowden-Fundus nahelegt, habe sich der Partner wohl gewünscht, gab der Zeuge zu Protokoll. An dieser Stelle sei der BND zwar nicht besonders misstrauisch, dafür aber "ganz besonders akribisch" gewesen.

Mit "Jein" beantworte Urmann die Frage, ob die übermittelten Ortungsdaten präzise genug gewesen sein könnten, um damit Killerdrohnen zu steuern. Falls die Radien der Funkzellen genau gewesen wären, wäre dies ein "Glückstreffer" gewesen. Die USA habe versucht, "möglichst präzise Standortdaten zu bekommen". Der BND habe solch verräterische Informationen zu seiner Zeit aber nicht gezielt weitergegeben.

Teil der normalen Projektkontrolle war laut Urmann, den "Schwachstellenbericht" zu Eikonal anzufordern, der im Ausschuss bereits zur Sprache kam. Der Bericht habe die BND-Zuständigen letztlich in ihrer Meinung bestärkt, dass das Projekt "langsam dem Ende zugesteuert" werden müsste.

Aus Eikonal konnten die Pullacher, die vorher Internetknoten nicht anzapfen konnten, laut Urmann zumindest "technologisch Gewinn" ziehen. Gar nichts gebracht habe dagegen die als besonders geheim geltende Operation Glotaic, bei der Telefonleitungen des US-Providers MCI (heute Verizon) überwacht wurden – Berichten zufolge zusammen mit der CIA. Der Partner habe dabei einen Zugriff eröffnet, "den wir sonst nicht bekommen hätten", ließ Urmann durchblicken. Es habe sich schließlich um einen "fremden Provider" gehandelt, bei dem der BND nicht gedacht hätte, "ohne Weiteres dranzukommen".

Als Rechtsgrundlage für das mysteriöse, angeblich mit einer überschaubaren Positivliste arbeitende Projekt führte der Zeuge nur das BND-Gesetz an, da es sich um "reine Auslandsverkehre" gehandelt habe. "Reichlich pauschal" empfand der SPD-Obmann Christian Flisek diesen Hinweis und schloss sich damit der Ansicht der Opposition an, dass es für Glotaic keine ausreichende juristische Basis gegeben habe. Außerplanmäßig unterbrach die Vernehmung eine Besucherin, die von der Gasttribüne aus plötzlich laut Auskunft begehrte, warum sie seit Jahren abgehört werde. Ein ziviler Polizeibeamter geleitete sie rasch aus dem Saal. (anw)