Britisches Parlament: GCHQ überwacht massiv, aber nicht pauschal

Der Geheimdienstausschuss des britischen Parlaments hat seinen Untersuchungsbericht zu den Snowden-Enthüllungen herausgegeben. Die Abgeordneten verlangen darin, die gesetzlichen Spionagebefugnisse zu reformieren.

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Britischer Geheimdienst GCHQ

Die Zentrale des GCHQ

(Bild: dpa, Gchq/British Ministry Of Defence)

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Der britische Geheimdienst GCHQ betreibt "Massenüberwachung", erfasst aber nicht pauschal und verdachtsunabhängig die gesamte Internetkommunikation. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest das Intelligence and Security Committee (ISC) des britischen Parlaments in seinem Untersuchungsbericht zu den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden. Die Behörde könne zwar theoretisch "einen kleinen Prozentsatz" der rund 100.000 großen Netzknoten abfischen, heißt es in dem Papier. Praktisch verschaffe sie sich aber nur Zugang zu einem Bruchteil davon.

Die genauen Anteile der erfassten Internetkommunikation schlüsselt das Kontrollgremium zwar auf, die Zahlen sind im publik gemachten Dokument aber genauso geschwärzt wie viele andere Details. Die Fernmeldeaufklärung mit massenhaften Datenbeständen erfolgt dem Ausschuss zufolge mehr oder weniger gezielt, da sie drei Filter- und Selektionsverfahren durchlaufe. So würden zunächst spezielle Netzstrecken ausgewählt und im Anschluss Kommunikationsdaten sowie Inhalte anhand spezieller Rufnummern oder Internetadressen erhoben. Dann würde entschieden, was davon von einem Menschen gelesen, analysiert oder gespeichert werden solle.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Bei Verbindungs- und Standortdaten unterscheiden die Abgeordneten zwischen Angaben, die das enge "Wer, wann, wo, mit wem kommuniziert hat" umreißen und weiter gehenden Informationen wie besuchten Webadressen oder Bewegungsspuren, die sich anhand der Mobiltelefonnutzung nachvollziehen lassen. Diese zuletzt angeführten "Kommunikationsdaten Plus" hätten das Potenzial, viele Einzelheiten über das Privatleben zu enthüllen, sodass sie künftig höheren Schutzanforderungen unterworfen werden sollten.

Ganz am Anfang zeigen sich die Kontrolleure erleichtert, keine Anzeichen dafür gefunden zu haben, dass britische Geheimdienstbehörden die für sie geltenden Rechtsvorgaben zu umgehen suchten. Dies schließe die britische Menschenrechtsgesetzgebung von 1998 ein. Diese Darstellung lässt sich aber nur schwer vereinbaren mit einem aktuellen Urteil des für den GCHQ zuständigen Gerichts. Dieses befand, dass die Überwachung britischer Bürger mithilfe von Daten der NSA gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat.

Trotz der prinzipiellen Zufriedenheit mit dem Vorgehen der Spione ihrer Majestät will der Ausschuss die Gesetze nachgebessert wissen. Die bislang in mehreren Statuten erteilten Befugnisse müssten zusammengefasst und transparenter gestaltet, der Datenschutz erhöht werden. Auch die Vorgaben, ob und wie Informationen mit Dritten geteilt werden, müssten überarbeitet werden. Diese Änderungen "sind überfällig", mahnt das Gremium. Überwachung müsse in einem Rechtsstaat "vorhersehbar" sein und müsse den Ansprüchen nach Offenheit der heutigen Gesellschaft entsprechen.

Bürgerrechtsorganisationen, die sich zu der Koalition "Don't spy on us" zusammengeschlossen haben, vermissen in dem Bericht eine Entschuldigung dafür, dass die Kompetenzen der Geheimdienste schier unkontrolliert angewachsen seien. Sie halten fest, dass auch der angeblich kleine Anteil der abgehörten Internetleitungen täglich "Milliarden an Kommunikationsverkehren" einschließe. Der Verbund "Privacy International" sieht in dem Report das Eingeständnis, dass die britischen Bürger "in einem Überwachungsstaat leben, aber alles in Ordnung ist". (mho)