Die Cyber-Cops

Die CSI-Serienfamilie hat ein neues Mitglied: „CSI: Cyber“. Die Idee ist gut, an der Ausführung hapert es aber noch.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Die CSI-Serienfamilie hat ein neues Mitglied: „CSI: Cyber“. Die Idee ist gut, an der Ausführung hapert es aber noch.

Ein Baby ist verschwunden, es wurde mitten in der Nacht aus seinem Bettchen entführt. Die Eltern werden von fremdländischen Stimmen aus dem Babyfon geweckt, sonst hätten sie das Verschwinden wohl erst am Morgen bemerkt. Auftritt des FBI-Ermittlerteams, das herausfindet: das Wlan-fähige Babyfon war gehackt und wurde zum Ausspähen des Tagesablaufs der Familie benutzt. Die – deutschen, arabischen und chinesischen – Stimmen waren Teil eines perversen Bieterwettstreits um das Kind und wurden unbeabsichtigt übertragen. Durch diesen Fehler kommt das FBI einem Entführer-Ring auf die Spur, der Babyfons schon werkseitig infiltriert.

Das ist die Auftakt-Story der neuen Serie „CSI: Cyber“, dem jüngsten Nachwuchs der zahlreichen CSI-Familie. RTL Crime hat die Pilotfolge Anfang März zum 15-jährigen Jubiläum des CSI-Franchise im Rahmen des „World CSI Day“ ausgestrahlt. Der Spartensender plant, die komplette Serie zu zeigen, der Termin dafür steht allerdings noch nicht fest. Lohnt es sich, einzusteigen?

Das kommt darauf an. Stoff für gute Geschichten sollte es mehr als genug geben. Zwar sind gehackte Babyfons als Idee nicht ganz neu. Ebenso wenig ist es die Verwundbarkeit von Bluetooth-Systemen, in der es laut US-Kritiken in Episode 2 geht. Hier soll ein geltungssüchtiger Verrückter per Bluetooth-Zugriff auf den Steuercomputer einen blutigen Achterbahn-Unfall verursachen. Episode 3, in der jemand das Netzwerk eines Uber-Klons hackt, klingt schon etwas aktueller.

Zugegeben, das ist Jammern auf hohem Niveau, weil wir es tagtäglich mit diesen Technologien zu tun haben (und die Serie noch sehr jung ist). Und immerhin schieben die neuen Helden vor dem Zugriff nicht mehr ein Videoskop unter der Tür durch, sondern werfen einen 3D-Kamera-Ball durch das offene Fenster. Insgesamt ist die Idee, Risiken und Gefahren von digitalen Technologien plastisch darzustellen, ziemlich gut.

Allerdings müssten sich auch die Charaktere noch weiterentwickeln. Da sind zunächst die für US-Serien typische Rollenklischees: Der Ex-Marine (okay, in dem Fall auch Action-Spiel-Fan), der dicke Nerd, der lustige Schwarze (Black-Hat-Hacker auf Bewährung) und die geheimnisvolle Latina (ebenfalls Hackerin auf Bewährung). Ja, endlich ist auch mal eine Frau Teamchefin. Aber Patricia Arquette spielt die ehemalige Psychologin Avery Ryan mit so viel Understatement, dass es schon hölzern wirkt. Ähnliches gilt für ihren Vorgesetzten, gespielt von Peter MacNicholl (Ally MacBeal, Numb3rs).

Ich weiß nicht, ob das an den ziemlich platten Dialogen liegt, aber von jemandem mit Arquettes Format – immerhin die aktuelle Oscar-Preisträgerin für die beste Nebenrolle – darf man vielleicht ein bisschen mehr Einsatz und Differenzierung erwarten. Aber ich habe fast den Eindruck, diese etwas steife Performance ist eine Jobanforderung bei CSI, zumindest erinnert Arquettes sehr stark an die der Teamchefs von New York und Miami. Da sich das dort im Laufe der Serie nicht viel gebessert hat, hab ich erstmal nicht allzu viel Hoffnung.

Dabei wäre ein schwieriger Chef mal eine echte Abwechslung. Man denke nur daran, mit welch sichtlichem Vergnügen Tim Roth in „Lie to me“ den Psychologen und Experten für Mikrogesten Cal Lightman als Arschloch gespielt hat. Möglich war das aber eben auch durch die entsprechenden Dialoge. Ähnlich wie bei den anderen CSI-Serien wirken die Dialoge auch deshalb unnatürlich, weil sie viele für den Zuschauer gedachte Erklärungen enthalten. Im realen Cyber-Cop-Alltag würden sie fehlen. Dabei gebe es Auswege. Zum Beispiel arbeitet die Serie bereits mit eingeblendeten Erklärungen, etwa für Phishing. Das könnte man ausbauen.

Interessant ist immerhin Ryans Vorgeschichte: Die frühere Psychologin hat das Metier gewechselt, nachdem ihr Rechner mit den Patientenakten gehackt wurde und in der Folge eine Patientin starb. Diesen Fall versucht sie nebenher immer noch aufzuklären. Sie soll wohl zwischen all den Tekkies – unter anderem mit ihrer Fähigkeit, Mikrogesten im Gesicht zu lesen –, für Gegengewicht sorgen. Ryans Figur soll durch die echte Cyberpsychologin Mary Aiken inspiriert worden sein, die die Auswirkungen von Technologie auf das menschliche Verhalten erforschte und die Serie mitproduziert.

Trotz aller Kritik würde ich der Serie eine Chance geben, denn bei allen schlechten Dialogen klingen die Geschichten im Kern ziemlich interessant. Ob die Macher etwas aus dem Potential macht, darüber blogge ich nochmal, wenn mehr Folgen gesendet wurden.

(vsz)