Europol: Die Zukunft der organisierten Kriminalität

Zum ersten Mal hat Europol eine Studie veröffentlicht, die versucht, künftige Entwicklungen der organisierten Kriminalität vorherzusagen. Dabei spielt die IT eine wichtige Rolle, nicht nur im zunehmenden Cybercrime.

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Europol: Die Zukunft der organisierten Kriminalität

(Bild: Europol)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Europol hat eine Studie zur organisierten Kriminalität (OK) veröffentlicht, die über die üblichen Annahmen hinausgeht. Die OK gehört nach Ansicht von Europol heute schon zu den fortgeschrittenen Nutzern von IT-Produkten. Dieser Trend werde sich in Zukunft noch verstärken, mit hochspezialisierten Hackern, die beispielsweise autonome Vehikel aller Art angriffen, um Warenlieferungen hochpreisiger Güter umzulenken. Ebenso würden Drohnen für den Menschenschmuggel eingesetzt, eine Tendenz, die sich schon heute abzeichnet, wenn abgetakelte Schiffe mit höchster Geschwindigkeit per Autopilot in Richtung italienischer Häfen geschickt werden.

In dem Maße, in dem Ausweise mit biometrischen Merkmalen eingesetzt werden, wird sich nach Ansicht von Europol ein eigenständiger Markt für biometrische Informationen entwickeln, auf dem die OK einkauft. Generell soll sich der Handel mit abgegriffenen Daten rapide ausweiten in einem üppig bestückten Angebot von "Crime as a Service" auf "Dark-Web"-Servern. Eine wichtige Rolle sollen dabei virtuelle Währungen wie Bitcoin spielen.

Mit 93,5 Millionen Tonnen insgesamt wird der illegale Handel mit Elektroschrott laut Europol das wichtigste Betätigungsfeld der organisierten Kriminalität werden, weil die möglichen Profite weit über dem Drogenhandel liegen. Den Elektroschrott nennt die Europol-Studie die "key criminal commodity of the future". Die OK werde sich dank des Schrotthandels in den Ländern als akzeptierter Arbeitgeber etablieren, die von der europäischen Finanzkrise besonders stark betroffen sind.

Ausgehend von den Bewegungen der Indignados und von Occupy werde sich nach der Prognose von Europol eine Mischung entwickeln, in der sich die gewaltbereite Radikalisierung mit politischen Motiven mit den Marktmotiven der OK überschneiden und zusammengehen wird. Als Beispiel nennt die Prognose die elektronische Geiselnahme von Robotern aus politischen Motiven auf der Seite von Occupy & Co, die Nutzung von Pflegerobotern älterer Menschen auf der Seite der OK. Überdies sieht Europol im Zuge des islamistischen Terrorismus eine neue, hybride OK entstehen, wenn zurückkehrende "foreign Fighter" für die Finanzierung des Kampfes eigene OK-Strukturen entwickeln.

In der Studie fordert der ehemalige BKA-Chef Jörg Ziercke einheitliche europäische Schulungen. Sein englischer Kollege Keith Bistrow von der National Crime Agency sieht die Verschlüsselung der Kommunikation als Problem polizeilicher Ermittlungen, verweist aber auch auf erfolgreiche Anstrengungen von Europol und GCHQ.

Wissenschaftler machen in der Studie darauf aufmerksam, dass Big Data und Big Analytics auch verbesserte Erkenntnischancen für die Ermittler mit sich bringen. Mit "Nachdruck" warnen sie vor voreiligen Schlüssen wie etwa der Annahme, dass eine hybride organisierte Kriminalität entstehen werde, in der politische Aktivisten oder "foreign Fighter" mit der OK zusammengehen werden. Dafür gebe es derzeit keine belastbaren Hinweise. (anw)