Weltwirtschaft wackelt weiter

Deutschland in zweifacher Hinsicht Krisengewinner

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In Deutschland herrschen positive Konjunkturmeldungen vor und der Exportmotor brummt. Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute gehen von 2,1 Prozent Wachstum in diesem Jahr aus, das vor allem vom Konsum getragen werde. Die öffentlichen Haushalte könnten in diesem und im nächsten mit einem strukturellen Überschuss von jeweils über 20 Milliarden Euro rechnen.

In der Weltwirtschaft sieht es allerdings weniger rosig aus. Das Wachstum der internationalen Handelsströme ist nach wie vor verhalten und liegt deutlich unter dem Niveau der letzten Dekade. Nach einem starken Einbruch 2008 und einem ebenso starken Zuwachs im Folgejahr, legte der Warenaustausch im Durchschnitt der letzten drei Jahre nur um 2,4 Prozent per annum zu, schreibt die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Im Mittel der letzen beiden Jahrzehnte waren es hingegen 5,3 Prozent jährlich gewesen. Damit ist der Welthandel seit Beginn der 1990er Jahre meist schneller als das Weltinlandsprodukt gewachsen, die ökonomische Integration hat also zugenommen.

Die Krise 2008ff hat diese zeitweise stürmische Entwicklung vorerst beendet. Sowohl Weltwirtschaft als auch Welthandel wachsen auf deutlich niedrigerem Niveau und die Prognosen von Welthandelsorganisation WTO und Internationalem Währungsfonds (IWF) sehen zwar für die nächste Jahre einen leichten Aufwind, der allerdings das Vorkrisenniveau noch nicht zurück bringt. Der Autor der Hongkonger Zeitung empfindet diese Prognosen sogar als zu optimistisch, denn die positiven Auswirkungen des niedrigen Ölpreises seien bereits ausfgebracht und mit und mit leeren Kassen sowie den Zentralbankzinsen bei fast Null hätten die Regierungen nicht mehr viele Instrumente zur Hand, um die Wirtschaft weiter zu stimulieren.

Wie es aussieht, ist derweil die Bundesrepublik in doppelter Hinsicht Krisengewinner: Zum einen drückt die Eurokrise den Kurs der Gemeinschaftswährung, was den Export in Länder außerhalb der Euro-Zone inzwischen erheblich vereinfacht. Aber solche Effekte bedeuten, dass anderen, deren Währung nicht abgewertet wurde, Marktanteile abgejagt werden. Für den Planeten als Ganzes bleibt derlei "Erfolg" ein Null-Summen-Spiel und verstärkt nur die Spannungen.

Zum anderen meldet die Nachrichtenagentur dpa heute unter Berufung auf die Bundesregierung, dass der Bundeshaushalt seit 2008 auf die Staatsschulden 94 Milliarden Euro an Zinsen weniger als ursprünglich erwartet hat zahlen müssen. Die Niedrig-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank und die Funktion deutscher Staatsanleihen als "sicherer Hafen" in unsicheren Zeiten, machen für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Schuldendienst so günstig wie selten in der deutschen Geschichte (aktuell 0,12 Prozent auf zehnjährige Anleihen).

Die Kehrseite sind indes die hohen Zinsen, die Griechenland zahlen muss. 12,78 Prozent waren es am Donnerstag für zehnjährige Staatsanleihen. Wenn Deutschland also Geld aufnimmt und dafür 0,12 Prozent Zinsen zahlt, dieses für 4,5 Prozent an Griechenland leiht, damit dieses damit wiederum deutsche (und französische sowie einige andere) Banken rettet, dann ist das für den Bundeshaushalt ein ziemlich gutes Geschäft. Bei 22 Milliarden Euro für den sogenannten Hilfsfonds, die 2011 zugesagt wurden wären das jährlich fast eine Milliarde Euro.

Das Mindeste wäre es eigentlich, dieses Geld und die 94 Milliarden eingesparten Zinszahlungen zur Lösung der Flüchtlingskrise am Mittelmeer und zur Linderung der Krisenfolgen in Südeuropa einzusetzen. Die eine Million syrischer Flüchtlinge, die der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte der Migranten die reichen Länder auffordert aufzunehmen, könnten mit 94 Milliarden Euro zum Beispiel mehrere Jahre gut versorgt werden. Und gut hieße dabei nicht, die entwürdigend niedrigen Zahlungen, die hierzulande Hartz-IV-Empfänger oder die gar noch niedrigeren, die Asylbewerber erhalten.