BND-Skandal: Kanzleramt im Kreuzfeuer

Das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestags berät in einer Sondersitzung über die Spionageaffäre. Der Vorsitzende Hahn ist verärgert über die "häppchenweise" Informationspolitik der Regierung und zweifelt am Aufklärungswillen des Kanzleramts.

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BND-Skandal: Chef von Kontrollgremium rügt Vorgehen der Regierung

(Bild: Kanzleramt: Matthias Krone, CC BY-SA 2.0)

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  • dpa
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Der oberste Geheimdienstkontrolleur im Parlament, André Hahn (Linke), wirft der Bundesregierung mangelnden Aufklärungswillen in der Spionageaffäre vor. "Die Regierung gibt immer nur das zu, was sie nicht mehr leugnen kann", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums der dpa. "Es geht nicht mehr, das Parlament mit Halb-Informationen abspeisen zu wollen. Das ist kein Umgang mit den gewählten Volksvertretern." Unter den Abgeordneten – nicht nur bei denen der Opposition – sei der Unmut über die Informationspolitik des Kanzleramts groß. Die Regierung sei gefordert, endlich alle Karten auf den Tisch zu legen.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll dem US-Geheimdienst NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die Vorwürfe waren vor mehr als einer Woche bekannt geworden. Am Mittwoch berät das Kontrollgremium in einer Sondersitzung über die Affäre. Erwartet wird dort der heutige Innen- und frühere Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU).

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Hahn sagte, als Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) die Parlamentarier vor Tagen erstmals über die Vorwürfe informiert habe, habe er mit keinem Wort erwähnt, dass auch Institutionen wie die EU-Kommission unter den US-Spähzielen gewesen seien. Auch habe es geheißen, dass das Kanzleramt erst im März von den Spähversuchen der NSA erfahren habe – was sich inzwischen als falsch herausgestellt habe. Beides sei erst durch Medienberichte ans Licht gekommen.

"Es kann nicht sein, dass man uns nur häppchenweise bestätigt, was die Medien ohnehin schon herausgefunden haben", kritisierte er. Mit dieser Praxis müsse endlich Schluss sein. "Die Regierung ist verpflichtet, dem Parlament umfassend Auskunft zu geben."

Nach dem, was bisher bekannt ist, lieferte die NSA dem BND für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling in Bayern viele Suchmerkmale (Selektoren) wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern, die gegen deutsche und europäische Interessen verstießen. 40.000 davon sortierte der BND nach eigenen Angaben über die Jahre vorab aus. Mehrere Tausend unzulässiger Selektoren fielen aber erst in der aktiven Suche auf.

Das Kontrollgremium und der NSA-Untersuchungsausschuss wollen nun die Listen mit den unzulässigen Suchmerkmalen einsehen. In der Welt am Sonntag drohten Oppositionspolitiker auch bereits mit einer Klage, sollte sich die Regierung dem verweigern. Die konsultiert derzeit die US-Verantwortlichen, ob sie die Informationen dazu offenlegen darf. Hahn forderte dringend die Herausgabe der Listen. "Wir können den ganzen Schaden erst bewerten, wenn wir diese Listen kennen." Die Regierung dürfe sich nicht hinter den USA verstecken. "Wo kommen wir denn da hin, wenn die Amerikaner über die Herausgabe der Listen entscheiden?"

Am Ende müsse es auch personelle Konsequenzen beim BND und bei den Verantwortlichen im Kanzleramt geben, sagte der Linke-Politiker. "Man ist als Minister für sein Haus verantwortlich, und es sind schon Minister wegen weit geringerer Vorwürfe zurückgetreten."

Der Linke-Politiker hält es auch für möglich, dass die Affäre noch größere Ausmaße annehmen könnte als bislang bekannt. "Ich gehe nicht davon aus, dass es bei alldem nur um die Daten aus der Satellitenkommunikation in Bad Aibling geht." Allerdings sei der politische Schaden schon durch das bislang Bekannte gigantisch.

Bereits am Wochenende hatten Politiker der SPD hochrangige Regierungsmitglieder in die Pflicht genommen, fasst die Süddeutsche Zeitung zusammen. Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann hatte von Angela Merkel gefordert, personelle Konsequenzen zu ziehen: Thomas de Maizière sei angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe als Bundesinnenminister nicht mehr tragbar. SPD-Parteivize Ralf Stegner wiederum erinnerte an die Zusicherung des damaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla. Als der erklärt hatte, deutsches Recht sei vollständig eingehalten worden, habe er gelogen und letztlich trage dafür die Kanzlerin die Verantwortung.

Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen wiederum hat am Montag die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten verteidigt. Den sich vernetzenden Terroristen müsse eine Vernetzung der Sicherheitsbehörden im entgegen gestellt werden, erklärte er im ARD-Morgenmagazin. Im BND-Skandal kündigte er Aufklärung an. Beispielsweise wisse man noch gar nicht, ob es bei der versuchten Spionage gegen EADS um Wirtschaftsspionage ging oder vielleicht um den Kampf gegen die Lieferung unerlaubter Güter in Krisenländer oder in "Terrorstaaten". (mho)