Was Apple mit Ihrer DNA vorhat

Das iPhone soll zum Werkzeug für medizinische Forschung werden: Nach Informationen von Technology Review werden derzeit Apps und Studien vorbereitet, bei denen die neue Apple-Plattform ResearchKit für DNA-Analysen genutzt wird.

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Von
  • Antonio Regalado

Das iPhone soll zum Werkzeug für medizinische Forschung werden: Nach Informationen von Technology Review werden derzeit Apps und Studien vorbereitet, bei denen die neue Apple-Plattform ResearchKit für DNA-Analysen genutzt wird.

Zusammen mit Forschern in den USA arbeitet Apple an der Veröffentlichung von Apps, die iPhone-Besitzern die Möglichkeit geben, ihre DNA analysieren zu lassen. Das erfuhr Technology Review von über die Pläne informierten Personen. Die Apps basieren auf ResearchKit, einer im März von Apple eingeführten Software-Plattform, die Krankenhäusern und Wissenschaftler bei der Durchführung von medizinischen Studien hilft. Dazu werden Daten von den Sensoren der Geräte gesammelt oder Befragungen vorgenommen.

Zu den ersten ResearchKit-Apps zählte eine mit dem Namen mPower, die Symptome der Parkinson-Krankheit erfasst. Insgesamt zogen sie in wenigen Tagen Tausende Teilnehmer an, was ein Beleg für die große Reichweite der Apple-Plattform ist.

„Apple hat ResearchKit herausgebracht, und die Reaktionen darauf waren fantastisch. Die offensichtliche nächste Idee ist das Sammeln von DNA“, sagt Gholson Lyon, Genetiker am Cold Spring Harbor Laboratory, der nicht an dem DNA-Projekt beteiligt ist.

Wenn iPhone-Nutzer tatsächlich bereit sind, Forschern Proben ihrer DNA zu überlassen, würden die Apple-Geräte ins Zentrum eines immer intensiveren Kampfes um genetische Informationen rücken. Universitäten, große Technologiefirmen wie Google, direkt an Verbraucher gerichtete Labore und sogar die amerikanische Regierung versuchen derzeit, riesige Datenbanken mit Gen-Informationen aufzubauen, um Hinweise auf die Ursachen von Krankheiten zu finden.

In zwei ersten Studien will Apple DNA nicht selbst sammeln oder testen – das bleibt akademischen Partnern überlassen. Die Daten sollen von Wissenschaftlern in der Cloud aufbewahrt werden, doch manche Informationen könnten auch direkt auf den iPhones der Teilnehmer erscheinen. Irgendwann könnte es vielleicht sogar möglich sein, „meine Gene“ wie heute den Standort mit einem einfachen Wischer an Freunde weiterzugeben.

Eine Apple-Sprecherin wollte sich zu dem Thema nicht äußern. Eine über die Pläne informierte Person sagte jedoch, das letztliche Ziel des Unternehmens sei, „das Zeigen und Weitergeben“ von DNA-Informationen an unterschiedliche Empfänger zu ermöglichen, etwa an die Verantwortlichen von wissenschaftlichen Studien. Weil Apple sehr auf Geheimhaltung achtet, wollten sich diese Person und andere Eingeweihte nur anonym äußern.

Vorangetrieben wurde das ResearchKit-Programm von Stephen Friend, einem früheren Pharma-Manager und heute Chef von Sage Bionetworks, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für offene Forschung einsetzt. Ab 2013 stellte sich Apple begeistert hinter Friends Vision, eine Daten-“Allmende“ zu schaffen, bei der sich Probanden aktiv an wissenschaftlicher Forschung beteiligen. Apple bezeichnet Friend als Berater für Medizintechnik; eine Interview-Anfrage lehnte er über einen Assistenten ab.

Mit einer zentralen Rolle bei Gen-Untersuchungen würde Apple zu den wenigen Unternehmen zählen, die versuchen, Menschen für ihre eigenen Gen-Informationen zu begeistern. Ebenfalls in diesem Bereich aktiv sind das Genealogie-Unternehmen anchestry.com, das Open Humans Project und 23andMe, ein direkt an Verbraucher gerichteter Testanbieter; er hat die DNA-Profile von mehr als 900.000 Menschen gesammelt, die seine Speichelanalyse-Kits für 99 Dollar gekauft haben.

Die DNA-Datenbank von 23andMe ist eine der größten überhaupt, doch das Unternehmen brauchte dafür neun Jahre mit ständiger Aufmerksamkeit in den Medien, einschließlich Auftritten bei der Talkshow-Größe Oprah Winfrey. Zum Vergleich: Apple hat allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres 60 Millionen iPhones verkauft, was den Gesamtbestand auf 750 Millionen steigerte. Damit könnten DNA-Studien mit der ResearchKit-Plattform theoretisch sehr schnell organisiert werden und eine immense Reichweite haben.

Allerdings ist der Umgang mit DNA-Daten immer noch schwierig. In manchen Fällen gibt die US-Aufsichtbehörde Food and Drug Administration (FDA) vor, was Menschen über ihr Erbgut erfahren dürfen.

Eine in diesem Jahr von der University of Michigan begonnene Studie, Genes for Good, rekrutiert Teilnehmer über eine Facebook-App und nutzt sie, um genaue Fragen zu Gesundheit und Gewohnheiten zu stellen. Teilnehmer der Studie erhalten ein Kit zur Speichelanalyse und später Zugriff auf ihre DNA-Informationen in Form einer Datei, die sie auf ihren Computer laden können.

Bislang haben sich 4200 Teilnehmer angemeldet, sagt Gonçalo Abecasis, der für die Studie zuständige Genetiker. Nach seinen Aussagen soll das Projekt den Teilnehmern Informationen über ihre Vorfahren geben, aber keine gesundheitlichen Voraussagen machen. „Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen dem, was für eine wissenschaftliche Studie in Ordnung ist, und dem, was zur Gesundheitsversorgung in Ordnung ist“, sagt Abecasis. „Sie können sich vielleicht vorstellen, dass viele Leute gute Ideen zur Interpretation von DNA haben. Offen ist allerdings noch, wie viel davon man offenlegen sollte.“

Eine Frage für Apple ist, ob Verbraucher überhaupt Interesse an ihren DNA-Daten haben. Bislang haben die wenigsten Leute irgendeine Verwendung dafür, und auch öffentliche Systeme für die Auswertung weisen noch Schwächen auf. „In zehn Jahren könnte es unglaublich bedeutsam sein“, sagt der Genetiker Lyon. „Die Frage ist aber, wird es eine Killer-App für schnelle und einfache Interaktionen mit DNA geben?“.

An Ideen herrscht kein Mangel. Stellen Sie sich vor, sie könnten beim Abholen eines Medikaments in der Apotheke kurz über den Smartphone-Bildschirm wischen, um über Ihre Gen-Informationen weiterzugeben, und bekämen dann bei einer möglichen Unverträglichkeit einen Warnhinweis. Oder eine App könnte berechnen, wie eng Sie mit beliebigen anderen Personen verwandt sind. Im Augenblick aber, so glaubt Lyon, geht es noch hauptsächlich um Unterstützung für die Forschung: „Wir brauchen Leute, die ihre DNA spenden“, sagt er. „Ein Anreiz dafür ist, dass sie die Daten auf dem Telefon haben und damit herumspielen können.“

(sma)