Jahresbericht Jugendschutz: Große Lücken im Netz

Soziale Medien und politische Konflikte greifen das Konzept eines Jugenschutzes im Internet von zwei Seiten an. Der Jahresbericht 2014 zum Jugendschutz im Internet offenbart große Schutzlücken.

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Jahresbericht Jugendschutz: Große Lücken im Netz

Margit Gottstein (Jugendstaatssekretärin Rheinland-Pfalz), Isabell Rausch-Jarolimek (Jugendschutz.net) und  Siegfried Schneider (KJM) stellen den Jahresbericht vor.

(Bild: heise online/Borchers)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers
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In Berlin haben Jugendschutz.net und die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Medienanstalten ihren Jahresbericht 2014 (PDF-Datei) vorgestellt. Neben Erfolgen bei der Bekämpfung von Kinderpornographie berichteten die Verfasser von empfindlichen Niederlagen. So führten 5363 Maßnahmen gegen extremistische Darstellungen im Ausland (Islamistische und rechtsextremistische Inhalte) nur in 37 Prozent der Fälle zu einer Entfernung der Inhalte. 2013 betrug die Quote noch 61 Prozent. Im Inland blieb die Quote mit 68 Prozent stabil, dabei sank die Zahl der Verstöße gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag von 1422 auf 1382 Fälle.

Mit Internet-Angeboten, die Heranwachsende mit islamistischer oder neo-nationalistischer Propaganda zur Tat aufstacheln wollen, hat der deutsche Jugendschutz ein großes Problem. Die stetig wachsende Zahl von Angeboten mit extremen Gewaltinhalten konnte im vergangen Jahr durch Interventionen der Jugendschützer nur unzureichend bearbeitet werden. Besonders die russische Facebook-Variante VK erntete schlechte Noten, weil dort nur in Ausnahmefällen gelöscht wird. "Der Dienst fungiert dezidiert als Ausweichplattform für Extremisten und duldet sogar massive Verstöße aus den Bereichen Gewalt und Pornografie", heißt es im Bericht.

Selbstverletzendes Verhalten, Essstörungen und suizidale Beiträge bilden einen weiteren Problemkomplex des Jugendschutzes. Tausende von Vernetzungen für Jugendliche, die ihren Anabuddy (von Anorexia Nervosa) oder Miabuddy (von Bulimia Nervosa, also ihren Hunger- und Kotzpartner suchen, stellen die Jugendschützer vor erhebliche Probleme. Denn 37 Prozent aller registrierten Ana/Mia-Verstöße (insgesamt 448 Fälle) der überwiegend von Mädchen verfassten Inhalte überschnitten sich mit suizidalen Themen oder Selbstverletzungen.

Der KJM-Vorsitzende Siegfried Schneider erklärte, dass man relativ hilflos sei, weil zigtausend Follower die Inhalte unter Jugendlichen verbreiten. Die Reaktionen der verschiedenen Dienste gegen die "Verherrlichung von Essstörungen" seien in diesem Bereich absolut unzureichend. Nur bei 42 Prozent der Interventionen von Jugendschutz.net hätten die deutschen Provider bzw. Betreiber die Inhalte gelöscht. Die Vergleichszahlen der Löschungen bei kinderpornographischen Inhalten (1168 Fälle): Deutschland 100 Prozent, Ausland 95 Prozent.

Als derzeit noch "unterbelichtetes" Problem benannten die Jugendschützer den "Second Screen", die Begleitangebote der Fernsehsender zu ihren TV-Sendungen. Cybermobbing, rassistische Hetze, aber auch die Ana/Miabuddys, die sich rund um Sendungen wie "Germanys Next Top Model" einfinden, seien durch die Bank schwer jugendgefährdend. Im Vergleich zu Inhalts-Providern wie Facebook und Twitter würden aber TV-Sender nur schleppend reagieren, wenn sie von Jugendschutz.net angesprochen werden. "Für jüngere User sind zudem ungeeignete Werbung und Kostenfallen durch Premoiumangebote ein großes Problem", umschreibt der Bericht die Situation.

Wenn die 35 Mitarbeiter von Jugendschutz.net nicht durchgreifen können, leiten sie ihre Fälle an die KJM weiter, die dann dafür sorgt, dass die entsprechenden Adressen in das Sperr-Modul der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien aufgenommen werden, das von vielen Filterprogrammen ausgewertet wird. Im Jahr 2014 waren dies 539 Angebote, davon 503 pornographische Angebote. (vbr)