Critical Communications World: Wie Tetra mit LTE zusammenspielen soll

Die Messe Critical Communications World zeigte eine abnehmende Bedeutung des Funkstandards Tetra. Aber ganz ohne geht es nicht. Die Hersteller arbeiten an Verbesserungen im Detail und an Integrationen mit schnelleren Mobilfunkdiensten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 8 Kommentare lesen
TETRA und LTE: Breitband für Polizei und Rettungskräfte

(Bild: M.Maier)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Friederike Maier
Inhaltsverzeichnis

Der Trend geht dahin, Tetra-Netze mit LTE-Netzen zu koppeln. Das zeigte sich auf der Konferenz Critical Communications World in Barcelona (CCW): An vielen Ständen gab es Weiterentwicklungen, die auf LTE fußen und beispielsweise zum Ziel haben, Einsatzkräfte mittels mobiler LTE-Basisstationen mit schnellem Mobilfunk zu versorgen. Aber zusätzlich gab es praktisch an jedem Stand auf der an die Konferenz angeschlossenen Messe kombinierte Systeme mit LTE und Tetra zu sehen – Tetra bekommt beim Blaulicht-Funk immer mehr die Rolle eines Kontroll-Kanals im Zusammenspiel verschiedener Breitband-Netzwerke.

Der Grund ist einfach: Behörden möchten immer mehr Datendienste nutzen, weil sich damit viele Vorgänge vereinfachen und optimieren lassen. Beispielsweise kann man so Daten schneller und weniger fehleranfällig mit der Leitstelle abgleichen als per Sprachverbindung. Im Prinzip eignet sich dafür schon der digitale Behördenfunkstandard Tetra. Da aber nur Teile des Applikationslayers standardisiert wurden, hapert es zuweilen an der Interoperabilität zwischen den Geräten verschiedener Hersteller. Und die Datenrate ist mit einem Maximum von 28,8 KBit/s sehr knapp. Für den Wunsch vieler Dienstnutzer, mobiles HD-Video in Echtzeit zur Verfügung zu haben, reicht das nicht. Weiterentwicklungen unter dem Namen TEDS (Tetra Enhanced Data Service) sollen in einem 150 kHz breiten Kanal mit der Modulation 64QAM ohne Fehlerschutz bis zu knapp 600 KBit/s erreichen.

Teltronics zeigte eine kombinierte LTE- und TETRA-Basisstation auf der CCW in Barcelona.

(Bild: F. Maier)

Die spanische Firma Teltronic hatte eine integrierte Tetra- und LTE-Basisstation dabei. Zwischen den beiden Standards vermittelt ein Gateway. Auf LTE-Seite läuft die Kommunikation über IP-Dienste. Bei der italienischen Firma Selex ES übernimmt die Kommunikation zwischen den Systemen ein SIP-Core-Server. Die Tetra-Funktionen wie Push-to-Talk und Gruppenruf werden auf LTE-Seite per IP-Telefonie umgesetzt. Ein erstes System von Selex ES wurde für die Expo in Mailand aufgebaut.

Der Anbieter sieht diesen Umweg über die IP-Dienste als Interims-Lösung – bis es dafür einen Standard gibt. An der Integration dieser Funktionen direkt im LTE-Standard wird bereits gearbeitet. Weiteren Funktionen wie Mission Critical Push to Talk (MCPTT) fließen allerdings frühstens in LTE Release 13 ein, mit dessen Fertigstellung Ende 2016 gerechnet wird. Anderes wie Mission Critical Data und Video sollen erst in Release 14 eingebaut werden. Im vergangenen Jahr hatte sich dafür eine eigene Arbeitsgruppe innerhalb der 3GPP zusammen gefunden.

Push-to-Talk als Android-App von Selex ES: Auch das linke Funkgerät beherrscht LTE, dessen Modem sich auf der Rückseite tauschen lässt.

(Bild: F. Maier)

Die aus der Mobilfunksparte stammende Firma Athonet stellt auf der Messe Equipment aus, das LTE-Features wie LTE Broadcasting (eMBMS) und Voice-over-LTE (VoLTE) beherrscht. Mit eMBMS lässt sich etwa Videostreaming in großen Gruppen realisieren – ohne das Netzwerk zu überlasten. Tetra will Athonet jedoch nicht in seine Geräte einbauen.

Während die Messe mit LTE-Gerätschaften gefüllt war, beenden die meisten Länder gerade den Tetra-Ausbau. Deutschland hat inzwischen 97 Prozent seiner Fläche mit Tetra versorgt, verkündete Dr. Barbara Held, Pressesprecherin der für den Tetra-Ausbau zuständigen Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS). Noch funken aber noch längst nicht alle Behörden digital: Die Polizei ist schneller als die Feuerwehren, die wiederum schneller umstellen als die Ambulanzen. Außerdem gibt es ein Nord-Süd-Gefälle: In Bayern fehlen noch einige Gebiete. Im März 2015 fand der letzte Test des Tetra-Netzwerks statt, über das die Kommunikation von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten während des G7-Gipfels in Schloss Elmau Anfang Juni 2015 laufen soll.

Athonet stellte Equipment aus, das LTE Broadcasting (eMBMS) und Voice-over-LTE (VoLTE) beherrscht. Mit eMBMS lässt sich Videostreaming für große Gruppen realisieren.

(Bild: F. Maier)

Das Planungsrecht, wann und was umgestellt wird, liegt bei den Gemeinden und hängt auch davon ab, was die jeweilige Stadtkasse hergibt. Der Bedarf an Datenübertragung wurde zwar erkannt und das Innenministerium hat darüber eine Studie angefertigt. Die ging aber zurück in die Innenministerkonferenz, die momentan um eine Entscheidung ringt, erklärte Barbara Held weiter. Die Planung des Tetra-Netzes habe Ende der 1990er Jahre begonnen, die Einführung von Breitbanddiensten benötige vermutlich genauso lang. Datendienste über Tetra sind ebenfalls kein Bundesprojekt, allerdings arbeiten einzelne Länder und Behörden durchaus mit Datendiensten. Von der Seite der Bundesbehörde wurden 8 Dienste, etwa der einheitliche Gruppenruf standardisiert, damit die verschiedenen Behörden bundesweit miteinander kommunizieren können. Der Datenbeschleuniger TEDS ist in Deutschland nicht in Planung. Dazu würde andere Ausrüstung benötigt und auch Frequenzen, die in Deutschland nicht zu haben sind.

Der Frequenzmangel schiebt den dedizierten Breitbanddiensten momentan in fast allen europäischen Ländern einen Riegel vor. So wurde die Forderung nach 2 × 10 MHz Spektrum im 700-MHz-Bereich für die Polizei- und Rettungsdienste bei der in Deutschland Ende Mai 2015 stattfindenden Versteigerung (Digitale Divende II) nicht berücksichtigt. Dem gegenüber fordert die Tetra + Critical Communications Association (TCCA) auf Europaebene 5 MHz jeweils unter den kommerziellen LTE-Up- und Downlink-Bändern und 3 MHz über den LTE-Bändern.

Die Skymasts-Antennen übertragen TETRA und LTE parallel.

(Bild: M.Maier)

Diese Forderung will die Organisation auch auf der nächsten World Radiocommunication Conference (WRC) der ITU einbringen, die Ende des Jahres stattfinden wird. Dabei soll eine Absichtserklärung herauskommen, hofft Jeppe Jepsen von Motorola Solutions, der in der TCAA für das Thema Frequenzen zuständig ist. Die Erklärung soll wenigstens Rettungskräften Frequenzen im 700-MHz-Bereich versprechen, wobei die Umsetzung weiterhin von dem jeweiligen Staat abhängt. Als Reaktion auf den Anschlag auf Charlie Hebdo hat bislang nur Frankreich 2 x 8 MHz im 700-MHz-Bereich für Polizei- und Rettungsdienste reserviert.

Gibt es für Rettungsdienste und Polizei keine Frequenzen, bliebe noch der Rückgriff auf kommerzielle Provider: Die anwesenden Behörden und Netzbetreiber wollten sich allerdings nicht vollständig auf kommerzielle Netze verlassen. Dafür seien die Netzplanungen zu unterschiedlich: Das Best-Effort-Prinzip der kommerziellen Provider reiche nicht für kritische Kommunikation aus. Die meisten favorisierten eine Mischung aus eigenem Tetra-Netz für die kritische Kommunikation und Extradiensten über kommerzielle LTE-Anbieter. Norwegen behält beispielsweise im Nødnett Tetra als System für den kritischen Teil bei. Zusätzlich plant der Staat gemeinsam mit Motorola Solutions, bis Ende des Jahres weitere Datendienste und eine Interoperabilität mit Smartphones und Rechnern über LTE herzustellen. Die über das Breitbandnetz laufenden Daten werden dabei verschlüsselt übertragen.

Auch die USA versuchen derzeit, ein flächendeckendes und interoperables Breitbandnetz für Rettungskräfte aufzubauen. Das First Responder Network (FirstNet) wurde 2012 als Reaktion auf die massiven Kommunikationsprobleme der verschiedenen Rettungskräfte während des 11. Septembers 2001 angestoßen und mit 2 x 10 MHz sowie 7 Milliarden US-Dollar ausgestattet. Als Pilotprojekt wird gerade das Los Angeles Regional Interoperable Communications System (LA-RICS) aufgebaut. Neben einem dedizierten Breitband-LTE-Netz für Datendienste und optional auch Sprachdiensten sehen die meisten Bundesstaaten auch weiterhin die kritische Sprachkommunikation über Land Mobile Radio (LMR) vor. Probleme gibt es derzeit beim Ausbau des LTE-Netze, der Anfang April für einige Wochen stockte. Es gab Probleme bei der Standortsuche für die Basisstationen. Außerdem mussten die bewilligten Bundesmittel für den Ausbau bis zu fixen Terminen ausgeschöpft werden. Inzwischen läuft der Ausbau mit einer reduzierten Anzahl an Basisstationen weiter. (rek)