Unscharf denkt man besser – 50 Jahre Fuzzy-Logik

Im Juni-Heft 1965 der Zeitschrift "Information and Control" legte der US-amerikanische Technikprofessor Lotfi Zadeh mit einem Artikel über unscharfe Mengen den Grundstein zur Fuzzy-Logik.

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Unscharf denkt man besser – 50 Jahre Fuzzy-Logik

Nicht nur Fotos von einem Tiger können unscharf sein

(Bild: Simone Guski)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Ralf Bülow

Die Logik – das lernen wir in der Oberstufe und im Grundstudium – umfasst die Aussagen- und die Prädikatenlogik und enthält Sätze, die entweder wahr oder falsch sind. Zwar gibt es auch Logiken höherer Stufe und solche, die drei oder mehr Wahrheitswerte zulassen, doch dafür interessieren sich höchstens die akademischen Forscher. Für das tägliche Leben und die Arbeit mit dem Computer gilt: Eine Aussage trifft zu oder sie trifft nicht zu, alles andere ist von Übel.

In die Mauern der Exaktheit und Eindeutigkeit, aus denen die Logik besteht, wurde vor fünfzig Jahren eine Bresche geschlagen, die sie nicht zum Einsturz brachte, doch immerhin zeigte, dass sich unorthodoxe Denksysteme sinnvoll definieren und praktisch einsetzen lassen. Gemeint ist die Fuzzy-Logik, zu der 1965 in der Juni-Ausgabe der US-Zeitschrift "Information and Control" der erste Grundlagentext erschien, ein 16 Seiten langer Aufsatz mit dem Titel "Fuzzy Sets".

Verfasser war der 1921 im damals sowjetischen Baku geborene Lotfi Zadeh, Spross einer aserbaidschanisch-iranisch-russischen Familie. Nach Gymnasialzeit und einem Ingenieurstudium in Teheran emigrierte er 1944 in die USA, wo er seinen Doktor machte. In den 1950er Jahren lehrte Zadeh an der Columbia University in New York; 1959 wurde er Professor für Elektrotechnik an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Seit 1991 ist er emeritiert.

"Fuzzy Sets" sind wörtlich übersetzt unscharfe Mengen. Jedem Element einer solchen Menge wird eine Zahl zwischen 0 und 1 zugeordnet, die den Grad der Zugehörigkeit angibt; 0 steht für ein Nicht- und 1 für ein Vollmitglied. Ansonsten gelten die bekannten Regeln für die Vereinigung, den Durchschnitt und die Komplementbildung. Die übliche Darstellung einer unscharfen Menge ist eine Kurve oder ein Linienzug in einem Koordinatensystem, wobei die x-Koordinate eines Punktes ein Element und der y-Wert das Maß der Zugehörigkeit ausdrückt.

Die Fuzzy-Mengenlehre baute Zadeh in den folgenden Jahren zur eigentlichen Fuzzy-Logik aus, etwa durch Einführung linguistischer Variablen und durch die unscharfe Implikation. Einen wichtigen Schritt vollzog 1974 in London der Ingenieurdozent Ebrahim Mamdani. Er schrieb ein Computerprogramm, das mit Zadehs Logik eine kleine Dampfmaschine betrieb, und startete damit die praktische Erforschung der Fuzzy-Regelung mit Befehlen wie "IF Temperatur mittel AND Druck hoch THEN Ventil auf".

Unscharfe Regelungen liefen bald in Waschmaschinen, Kameras und U-Bahnen vor allem japanischer Herkunft und weckten in den 1990er Jahren in Deutschland Hoffnungen auf ein neues Zeitalters der Technik. Nach der Jahrtausendwende flaute die Begeisterung wieder ab, und aus den goldenen Jahren überlebte nur eine einzige Firma in Dortmund. Fuzzy-Logik ist aber an vielen Hochschulen studierbar und Evangelisten wie Han-Jürgen Zimmermann oder Bart Kosko sind noch aktiv. Für den Sommer 2015 planen die internationalen Fuzzy-Verbände IFSA und EUSFLAT einen großen Kongress im nordspanischen Gijón. (anw)