Alternativgipfel zur G7: Wider die "Erfüllungsgehilfen"

In Elmau treffen sich die Mächtigen der Welt? Stimmt nicht, sagen Gipfelkritiker beim Alternativgipfel in München. Eigentlich seien es nur "Handlanger“ der Konzerne.

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Alternativgipfel zur G7: Wider die "Erfüllungsgehilfen"

Professorin Jayati Ghosh übt heftige Kritik an den G7-Staaten.

(Bild: heise online/Monika Ermert)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Vom G7-Gipfel in Elmau ist nichts zu erwarten im Kampf gegen Hunger und steigende Ungleichheit, erfuhren die rund 650 Teilnehmer beim gestern abend gestarteten Internationalen Gipfel der Alternativen in München. Gut wäre es schon, meinte die Auftaktrednerin Jayati Ghosh von der Jawaharlal Nehru University in Dehli, wenn die G7-Spitzen aufhörten, durch Handelsabkommen wie TTIP, TPP oder das geplante EU-Indien-Freihandelsabkommen echte Lösungen für wirtschaftliche Probleme nachhaltig zu behindern. Der Alternativgipfel in der Münchner Freiheiz Halle ist der Auftakt zu einer ganzen Serie von Veranstaltungen von Nicht-Regierungsorganisationen verschiedenster Provenienz.

Im bayerischen Elmau treffen sich nur die "Erfüllungsgsgehilfen“ großer multinationaler Unternehmen und der Hedgefonds, sagte unverblümt der ehemalige UN Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler vor den Gipfelkritikern. "Wenn jemand in diesem Saal glaubt, dass in Elmau souveräne Staatschefs zusammenkommen, dann irrt er sich“, sagte Ziegler. Wenn rund 500 private Konzerne gemeinsam knapp 53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weltweit kontrollierten, rund 1 Prozent der Weltbevölkerung gleich viel habe wie die restlichen 99 Prozent sei das offensichtlich.

Ein Beispiel für die Machtlosigkeit der Politik, laut dem Soziologen, den die Schweizer Banken immer wieder vor Gerichte gezerrt hatten, ist ein Ergebnis des letzten G7-Gipfels in Deutschland (damals noch G8). In Heiligendamm, so Ziegler, war der Kampf gegen den Hunger in Afrika das große Thema gewesen.

"Hunderte von Millionen wurden versprochen, von denen viele allerdings nicht angekommen sind.“ Helfen gegen den Hunger könnte dagegen eine Maßnahme wie der Stop des Börsenhandels mit Grundnahrungsmitteln. Wenn die Preise für Reis, Mais oder Getreide durch spekulative Geschäfte sich über Nacht um 30 bis 100 Prozent erhöhten, sterben in den Slums der Armenviertel der Welt am nächsten Tag Kinder.

Obszön nannte die indische Ökonomin Ghosh das System der Freihandelsabkommen. Länder wie Indien würden mit der Aussicht auf Exportmöglichkeiten etwa für Textilien gekapert, wie schon beim Beitritt zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) der Welthandelsorganisation (WTO). Gleichzeitig verlören sie die Kontrolle über die Regulierung in vielen Bereichen, vom geistigen Eigentum bis
zur Nahrungsmittelsicherheit.

"Am selben Tag, an dem die indische Regierung ein Gesetz zur Nahrungsmittelsicherung verabschiedet hatte, verklagte die US-Regierung sie vor der WTO“, so Gosh. Die Begründung: Die indische Regierung behindere durch die geplanten Subventionen für Grundnahrungsmittel den Weltmarkt. Auch Vorstöße von 33 Ländern des Südens, die prozentualen Freigrenzen für subventionierte Nahrungsmittel wenigstens auf der Basis heutiger und nicht auf der von Preisen aus den 90er Jahren zu berechnen, werde von den "mächtigen“ Ländern nicht akzeptiert.

Gosh und Ziegler plädieren letztlich beide für eine stärkere Zügelung der Märkte, in gewisser Weise offenbaren sie damit auch ein Dilemma der Kritiker. Einerseits hat man das Vertrauen in die Politik der "Handlanger“ längst verloren. Andererseits soll aber der starken Staat den Markt in seine Schranken weisen.

Ziegler sagt, die Hoffnung liege im Protest – "bis hin zum Generalstreik“ – für eine andere Politik. Auch Gosh mahnt, Demokratie heißt nicht nur alle paar Jahre zur Wahl gehen. "Wir müssen vor allem sicher stellen, dass wir nicht ein globales System schaffen, das uns davon abhält, bessere Lösungen zu schaffen.“ Das drohe aber mit der Zementierung von Regeln durch die Freihandelsabkommen. (axk)