Kommentar: Schädliche Funkfrequenz-Versteigerung

Die Versteigerung von Funkfrequenzen an Mobilfunkunternehmen zementiert die Vormachtstellung der großen Anbieter. Innovatiionsfreundlicher wäre es, sie umsonst freizugeben – ein Gastbeitrag von Jan-Peter Kleinhans.

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  • Jan-Peter Kleinhans

Die Versteigerung von Funkfrequenzen an Mobilfunkunternehmen zementiert die Vormachtstellung der großen Anbieter. Innovationsfreundlicher wäre es, sie umsonst freizugeben – ein Gastbeitrag von Jan-Peter Kleinhans.

Der Autor arbeitet bei der stiftung neue verantwortung, einem überparteilichen Think Tank in Berlin.

Wird über die innovativen Ansätze und völlig neuen Möglichkeiten des Internets der Dinge gesprochen, macht sich schnell Begeisterung breit. Wenn auf einmal Maschinen, Sensoren und Roboter autonom miteinander kommunizieren scheint nichts unmöglich: Kühe werden mit Sensoren ausgestattet um ihre Bewegungen zu verfolgen und Krankheiten in der Herde früher zu erkennen. In Panama-Stadt twittern Drucksensoren in Schlaglöchern beim Kontakt mit Autoreifen – und üben so Druck auf die Stadtverwaltung aus. Ein italienisches Start-up nutzt aufklebbare Sensoren für die Schadensfrüherkennung bei Gebäuden oder Brücken. In Kanada überwachen Sensoren den Schädlingsbefall von Obsthainen.

So unterschiedlich diese Anwendungsfälle auch sein mögen – Funkfrequenzen spielen immer eine zentrale Rolle: Kühe, Schlaglöcher und Obsthaine lassen sich mit Kabeln nur mühsam vernetzen. Daher ist die Verfügbarkeit von Funkfrequenzen zur drahtlosen Kommunikation ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Internet der Dinge – bis 2019 sollen über drei Milliarden Maschinen miteinander kommunizieren. Um schon in naher Zukunft Milliarden intelligenter Sensoren zu vernetzen, braucht es daher gerade bei der Regulierung und Zuteilung von Funkfrequenzen Weitsicht. Das Problem ist: Genau sie scheint derzeit zu fehlen. Dies wird nicht zuletzt durch die aktuelle Frequenzversteigerung der Bundesnetzagentur sehr deutlich. Seit 27. Mai werden insgesamt 270MHz an Funkfrequenzen exklusiv an Mobilfunkunternehmen versteigert. Wie schon 2010 hofft man so auf eine kurzfristige Finanzspritze von mehreren Milliarden Euro. Diese Frequenzpolitik in Deutschland zementiert die Stellung von Mobilfunkunternehmen als einzige Säule unserer mobilen Datennetze. Die Art und Weise der Nutzung des Frequenzspektrums unterliegt damit erneut exklusiv ihren Vorstellungen. Die besonderen Anforderungen von Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M) des Internets der Dinge spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

Dies ist problematisch, da selbst modernste Mobilfunkstandards wie LTE-Advanced auf menschliche Kommunikation ausgelegt sind. Sie arbeiten effizient, wenn große Datenmengen übertragen werden – zum Beispiel beim Streamen von Videos oder Versenden von Bildern. Und sie sind darauf abgestimmt, dass unsere Smartphones ständig eingeschaltet und konstant mit einer Funkzelle verbunden sind. Das aber benötigt viel Energie, nicht zuletzt haben wir uns schon fast daran gewöhnt, jeden Abend unser Smartphone aufzuladen.

Bei vernetzten Kühen, Schlaglöchern und Obsthainen gestaltet sich die Kommunikation jedoch gänzlich anders: In unregelmäßigen Abständen werden sehr kleine Datenpakete durch die verschiedenen Sensoren versendet. Die Geräte schalten sich zwischenzeitlich vollständig aus, um Strom zu sparen. Oft werden Batterielaufzeiten von mehreren Jahren angestrebt, während Gerätekosten so niedrig wie möglich sein müssen, um sie flächendeckend einsetzen zu können. Aufgrund dieser fundamentalen Unterschiede zwischen menschlicher und Maschinen-Kommunikation ist es wenig verwunderlich, dass selbst moderne Mobilfunkstandards wie LTE-Advanced mit M2M-Kommunikation überfordert sind. Aufgrund unserer Frequenzpolitik steht jedoch keine Alternative zur Verfügung. Dabei ginge es besser.

Und zwar durch WLAN. WLAN spielt seit Jahren eine wichtige Rolle bei der Entlastung unserer Mobilfunknetze und transportiert bereits heute über die Hälfte des mobilen Datenverkehrs. Im Gegensatz zu Mobilfunknetzen nutzt WLAN unlizenziertes Frequenzspektrum. Um den eigenen WLAN-Router zuhause in Betrieb zu nehmen, muss man nicht erst eine Lizenz bei der Bundesnetzagentur beantragen. Stattdessen gibt es internationale Vereinbarungen, dass bestimmte Frequenzen im Bereich von 2.4GHz und 5GHz von jedem genutzt werden dürfen, solange bestimmte technische Vorgaben eingehalten werden – ähnlich einem öffentlichen Park. Diese Regulierung von Funkfrequenzen als Allgemeingut war ausschlaggebend für den Erfolg von WLAN. Obwohl man sich anfangs keine sinnvollen Anwendungen für die sogenannten “Schrott-Bänder” vorstellen konnte, entwickelte sich auf ihrer Basis eine der am weitesten verbreiteten Internet-Technologien der Welt. Heute ist sie aus unserem digitalen Alltag nicht mehr wegzudenken.

Wie kann WLAN also der Vernetzung von Kühen, Schlaglöchern und Obsthainen helfen? Durch das 2.4GHz- und 5GHz-Band hat heutiges WLAN eine geringe Reichweite und durchdringt Hindernisse nur sehr schlecht. Würde man das bessere Spektrum unterhalb von 1GHz dafür öffnen, wäre die Technologie wesentlich leistungsfähiger und könnte Anwendungen für das Internet der Dinge kostengünstig und energieeffizient vernetzen. In den letzten Jahren haben einige ausländische Regulierungsbehörden dieses Potenzial erkannt und kleine Bereiche des Spektrums zur unlizenzierten Nutzung freigegeben. Gleichzeitig haben internationale Gremien wie das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), das auch die verschiedenen WLAN-Standards entwickelt, spezielle M2M-Kommunikationsprotokolle für unlizenziertes Frequenzspektrum entwickelt. Die Wirkung einer Frequenzpolitik, die auf ein offenes Spektrum setzt, lässt sich bereits an zahlreichen internationalen Beispielen ablesen. Hier nutzt die Allgemeinheit - Kommunen, Forschungseinrichtungen, Zivilgesellschaft und Unternehmen - unlizenziertes Spektrum als Innovationstriebfeder. So entstanden intelligente Abfalleimer, dezentrale Frühwarnsysteme gegen Überschwemmungen oder Videokameras für die entlegensten Ecken des Londoner Zoos.

Unsere Frequenzpolitik muss daher genauso innovativ und flexibel werden wie wir es uns vom Internet der Dinge erhoffen. Dies bedeutet eine Ergänzung unserer derzeitigen mobilen Infrastruktur durch frei nutzbares Spektrum unterhalb von 1GHz. Die 2.4GHz- und 5GHz-Bänder haben gezeigt, dass dieser Zugang Innovation antreibt. Wer wie die deutsche Frequenzpolitik nur stumpf den Auktionshammer schwingt, tut es nicht. Leider muss die deutsche Politik erst noch erkennen, dass unser Funkspektrum im digitalen Zeitalter zu Allgemeingut, Innovationstreiber und Wirtschaftsgrundlage in einem werden kann.

(jle)