PR statt Sicherheit

Mit seiner Unterstützung von "Deutschland sicher im Netz" lässt sich Innenminister Schäuble vor den PR-Karren von Microsoft & Co spannen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.

Mit seiner Unterstützung von Deutschland sicher im Netz (DSIN) lässt sich Innenminister Schäuble vor den PR-Karren von Microsoft & Co spannen. Denn um Sicherheit ging es dieser PR-Initiative immer erst in zweiter Linie. Sie wurde aus den PR-Budgets der beteiligten Firmen finanziert und das merkt man dem Ergebnis auch an.

Werfen Sie doch mal einen unbefangenen Blick auf die Web-Seiten des Projekts. Im Basischeck erfahren Sie dann unter der Überschrift "Schützen Sie sich vor Viren - mit diesem Antivirus-Programm": "Wenn Sie noch kein Antivirus-Programm installiert haben, installieren Sie das Antivirus-Programm eTrust EZ Antivirus 2005 von Computer Associates." Ein Schelm, wer nun denkt, dass die prominente Platzierung des Produkts damit zu tun haben könnte, dass der Hersteller DSIN mitfinanziert. Ich bin mir ganz sicher, dass die Auswahl anhand objektiver Kriterien erfolgte -- und Bill Gates ist der Weihnachtsmann.

Apropos: Bei den Sicherheitseinstellungen lernen Sie unter anderem, dass Sie "den Microsoft Internet Explorer sehr gut an Ihre Bedürfnisse anpassen und trotzdem sicher arbeiten" können. Zu erwarten, dass dem Anwender erklärt wird, dass es auch Firefox oder Opera gibt, und deren Einsatz möglicherweise sogar die Angriffsfläche reduziert, ist offensichtlich schon zu viel verlangt.

Besonders am Herzen liegt DSIN der Mittelstand - böse Zungen behaupten: weil sich da noch richtig Geld verdienen lässt. Das "IT-Sicherheitspaket Mittelstand" liefert folglich kaum verbrämte Werbeseiten als Informationen für IT-Verantwortliche und konzentriert sich beim Thema Web-Server ganz auf Microsofts Internetinformationsdienste 5.0, 5.1 und 6.1. Allein Microsofts jüngstem IIS-Spross sind 28 Seiten gewidmet. Apache taucht hingegen nirgends auf. Dafür darf das MCert auf drei dürren Alibi-Seiten über "Sicherer Anschluss ans Internet bei Linux" referieren - Stand Februar 2003. Beim Thema Server & Netzwerke sieht's noch krasser aus: SBS, SUS und Active Directory allerorten; Unix, Linux, Samba, OpenLDAP oder ähnliches Teufelszeug -- Fehlanzeige. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Wenn Innenminister Wolfgang Schäuble dann erklärt: "Der Verein ,Deutschland sicher im Netz' bündelt die wichtigsten Akteure zum Thema IT-Sicherheit und wird zukünftig ein bedeutsamer Partner für Politik und alle gesellschaftlichen Gruppen sein", wird mir angst und bange. Er verleiht damit nicht nur der unverblümten Produktwerbung einen quasi offiziellen Charakter - ungefähr so, als würde uns die ARD anstelle der Tagesschau künftig eine Dauerwerbesendung vorsetzen. Schäuble verkauft uns darüber hinaus eine Marketing-Show als wichtigen Schritt zu mehr Sicherheit. Und das bringt den IT-Standort Deutschland mit Sicherheit nicht voran.

Jürgen Schmidt (ju)