SPD-Berichterstatter: Der Vorratsdatenspeicherung eine Chance geben

Der SPD-Rechtspolitiker Christian Flisek geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht das geplante Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung "nicht komplett kassieren wird".

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Vorratsdatenspeicherung

(Bild: dpa, Felix Kästle)

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Christian Flisek, Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion zum Gesetzentwurf für eine neue Vorratsdatenspeicherung, meint, er sei der "grundrechtsschonendste Ansatz für eine Vorratsdatenspeicherung, den es je in Europa gegeben hat". Das erklärte er am Mittwoch auf einer Veranstaltung des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco in Berlin. Dies beseitige zwar das Problem nicht, dass ohne Verdacht personenbezogene Informationen gespeichert würden, das sei aber nicht automatisch verfassungswidrig.

Auch greife die Schleierfahndung in grenznahen Räumen mit Ausweiskontrollen durch Polizisten in Grundrechte ein, und doch sei sie verfassungskonform, brachte Flisek ein Beispiel. Dies liege daran, weil sie "nicht gänzlich unkonturiert ist". Er gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht auch das vorgesehene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung "nicht komplett kassieren" werde, sondern höchstens in Teilbereichen.

In den anstehenden Parlamentsberatungen will Flisek nach eigenen Angaben "kein flammendes Plädoyer" für die Vorratsdatenspeicherung halten. Weder Karlsruhe noch der Europäische Gerichtshof hätten die Vorratsdatenspeicherung generell für verfassungswidrig erklärt, sondern einen "Möglichkeitsspielraum" offen gelassen.

Im Gegensatz zu Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht Flisek aber noch Korrekturbedarf. Die Regeln zum Berufsgeheimnisschutz etwa, die ein Verwertungsverbot von Daten von Abgeordneten, Anwälten, Ärzten, Journalisten oder Seelsorgern etablieren wollen, überzeugten noch nicht. Er könne sich hier besser ein "freiwilliges Opt-out" vorstellen, mit dem ein Berufsgeheimnisträger seinem Telekommunikationsanbieter sagen könne, dass Verbindungs- und Standortdaten von ihm gar nicht erst erfasst werden sollten.

Flisek plädierte dafür, das Gesetz mit einem Auslaufdatum zu versehen und es wissenschaftlich zu evaluieren. Zum Beispiel könnte es sich "im Bereich der Umfeldaufklärung" von Terroranschlägen als geeignet erweisen.

"Die SPD macht sich das mit dieser Frage absolut nicht einfach", betonte Flisek, der sich im NSA-Ausschuss auch mit der geheimdienstlichen Massenüberwachung beschäftigt und den Bundesnachrichtendienst einhegen will. Er könne so überhaupt nicht sagen, wie der interne Kampf um eine Linie zur Vorratsdatenspeicherung auf dem SPD-Parteikonvent am Samstag ausgehen werde. In seinem Ortsverband in Bayern seien jedenfalls "zwei stramme Gegner" der Vorratsdatenspeicherung als Delegierte auf dem kleinen Parteitag dabei.

Der CSU-Rechtspolitiker Volker Ullrich lehnt es ab, das Gesetz zu befristen. Der "grundrechtssensible Bundestag" müsse von sich aus immer prüfen, ob ein Eingriff gerechtfertigt sei. "Wir werden die Rahmenbedingungen so treffen, dass das Instrument grundrechtsschonend angewandt wird und taugliche Ermittlungsansätze liefert", versicherte Ullrich. Der "gute Gesetzestext" bewege sich bereits unterhalb dessen, was rechtlich möglich gewesen wäre und manche Praktiker für geboten gehalten hätten.

Die Grüne Renate Künast bezeichnete Ullrich als "sehr gutgläubig". Der nötige Druck für eine Evaluierung bilde sich nur durch eine Befristung. "Allererstes Ziel" müsse es aber sein, das Gesetz zu verhindern, da die Koalition eine "Gesamtschau" von Überwachungsmöglichkeiten gar nicht vorgenommen habe. Karlsruhe dürfe auch nicht "Ort der Ersatzpolitik" sein.

Mit einem deutlichen Nein beantwortete diese Frage eco-Rechtsvorstand Oliver Süme. Die vielen aufgeworfenen technischen Probleme zur Vorratsdatenspeicherung seien "entweder gar nicht lösbar oder mit unglaublichen Kosten versehen". Die Daten müssten alle paar Minuten per USB-Stick in ein getrenntes System überspielt und bei einem gewünschten Zugriff wieder händisch herausgenommen und an die Polizei geschickt werden. Zudem müsste jeder Datensatz einzeln verschlüsselt und ein Index für Suchanfragen programmiert werden. Da absehbar sei, dass die Verfassungsrichter das Gesetz wieder kippten, blieben die Provider "zum zweiten Mal auf den Kosten sitzen". (anw)