Innovative Windräder ohne Flügel

Spanische Wissenschaftler entwickeln Windkraftanlagen, in denen Strom über schwingende Stelen erzeugt wird

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"Stellen sie sich ein Windrad vor … Was passiert, wenn wir die Rotorblätter beseitigen?" Diese auf den ersten Blick scheinbar verrückte Frage, wie man Strom aus Windrädern ohne sich drehende Flügel erzeugen kann, haben sich spanische Wissenschaftler gestellt. Unter der Führung von David Yáñez hat die Firma Vortex solche Windkraftanlagen entwickelt.

Dass mit ihnen fast genauso viel Strom wie mit herkömmlichen Windrädern produziert werden kann, wurde im Prinzip schon im Windkanal bestätigt. Deshalb hat Vortex eine Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo gestartet, um die innovative Pilotanlage in einen Feldversuch in Indien erproben zu können.

Der Ingenieurwissenschaftler und Vortex-Gründer Yáñez, sein ehemaliger Studienkollege Raúl Martín und der Unternehmer-Journalist David Suriol, die hinter dem Projekt "Vortex Bladless" stehen, hoffen, dass 5000 Unterstützer insgesamt 150.000 US-Dollar für das Projekt aufbringen. Das erste Etappenziel, mindestens 50.000 Dollar für die Pilotanlage einzusammeln, haben sie schon erreicht.

Schon jetzt haben gut 1000 Personen etwa 60.000 Dollar aufgebracht. Sie sind davon überzeugt, dass die von ihm und zwei Mitstreitern entwickelte Technik längst marktreif ist.

Die Idee kam Yáñez, als er 2002 während seines Studiums in Valladolid alte Filmaufnahmen sah, wie die Tacoma-Narrows-Hängebrücke 1940 zunächst durch heftige Sturmböen zum Schaukeln gebracht wurde und schließlich einstürzte.

"Man konnte sehen, wie dieses Bauwerk ohne Getriebe oder Lager riesige Mengen an Windenergie aufnehmen konnte", erklärt Yáñez. Er setzte sich damals in den Kopf, diesen Vorgang zu bändigen und in eine Stromproduktion umzuwandeln.

Die Stele

Die Überlegungen und Versuche an Modellen führten schließlich zu Bauart einer Stele. Es handelt sich um einen schmalen, hohen Kegel, der auf seiner Spitze steht. Sie werden aus Karbon- und Glasfasern hergestellt und geraten, wie die Hängebrücke, durch die Luftwirbel in Schwingung.

Mit Magneten im Inneren und der speziellen Konstruktionsform werden die noch verstärkt. Und diese Oszillation, eines Metronoms ähnlich, wird am unteren Ende in einen Generator übertragen, womit aus der Bewegungsenergie Strom erzeugt wird.

Neben der Tatsache, dass Rotorblätter, und damit die von ihnen ausgehenden lästigen Geräusche und Spiegelungen sowie die Gefahren für Vögel, wegfallen, streicht Yáñez vor allem die Tatsache heraus, dass die Energie aufgenommen wird und damit praktisch kaum Verschleiß einhergehe. Deshalb geht Vortex davon aus, dass sich der Einsatz auch lohnen würde, auch wenn tatsächlich die oszillierende Stele etwa 30 Prozent weniger Strom als ihr Pendant mit Rotorblättern erzeugt.

Die großen leistungsstarken Windräder sind derzeit bereits sehr kopflastig. Generatoren und Getriebe, die in einer Höhe von 100 Metern angebracht sind, wiegen bis zu 100 Tonnen. Das ist nicht nur ein Problem bei der Aufstellung, auch was die Natur im Umfeld angeht, sondern mit der Länge und Gewicht der Rotoren steigen auch die Materialkosten für immer stabilere Türme, es werden Spezialtransporte mit höheren Preisen nötig, etc. Diese Kosten und der höhere Wartungsaufwand machten die Effizienzvorteile der größeren Windräder zum Teil wieder zunichte.

Für dieses Problem will Vortex eine Lösung gefunden haben. Weil die Kosten deutlich niedriger seien, wäre der produzierte Strom trotz der geringeren Leistung immer noch um 40 Prozent günstiger als bei Windrädern. Nach Berechnungen der Wissenschaftler liegen Herstellungs- und Betriebskosten der flügellosen Technik etwa um die Hälfte niedriger.

"Wir benötigen deutlich weniger Material, was insgesamt billiger und umweltschonender ist", erklärt Vortex. Die Wartungskosten sollen sogar um 80 Prozent geringer ausfallen, weil es praktisch keine beweglichen Teile gäbe, deren Wartung zudem in großer Höhe ausgeführt werden muss. Und Martin streicht auch heraus, dass die visuelle Beeinträchtigung genauso deutlich geringer wie der Flächenverbrauch bei Windrädern sei.

Wir wissen, dass unsere Windräder näher nebeneinanderstehen können.

"Windenergie auf Kleinverbraucher ausrichten"

Geplant ist, zunächst kleine 100 Watt Anlagen zu bauen, deren Stelen sollen nur drei Metern in die Höhe reichen. Vortex geht davon aus, dass deren Produktion lediglich 250 Euro kosten würde und sogar auf Hausdächern installiert werden könnte. "Unser Ziel ist kurzfristig, die Windenergie auf Kleinverbrauchern auszurichten, wo der Markt bisher von Solaranlagen beherrscht wird", erklärt der der Unternehmenssprecher Suriol.

Das habe schon großes Interesse vor allem in Entwicklungsländern geweckt. Im Blick hat man aber längerfristig auch Spargel, die bis zu 150 Meter in Windparks aus dem Boden ragen. Nach Ansicht von Vortex sei die Technik auch für Offshore-Projekte geeignet.

Von der Eignung der Technik gehen wohl längst auch diverse Investoren aus. Beim dem gestarteten Crowdfunding handelt es sich offenbar nur um eine auf Publicity ausgerichtete Aktion. Es gibt verschiedene Berichte, wonach das Unternehmen schon über eine Million Dollar von privaten Investoren und staatlichen Institutionen eingesammelt hat. Das Ziel sei, weitere 5 Millionen Dollar an Land zu ziehen und ein US‑Investmentfonds soll diese Summe bereits in Aussicht gestellt haben.

Kritik

Doch es gibt auch Kritik. Der Bundesverband WindEnergie erklärte: „

Mit den weltweit etablierten Windkraftanlagen mit drei Rotorblättern verfügen wir über eine preiswerte, leistungsfähige und ausgereifte Technik.

Die neuen Anlagen müssten sich erst dagegen noch bewähren und es sei bisher nicht abzuschätzen, ob sie hinsichtlich von Effizienz und Kosten sinnvoll seien. Martin Hansen, Windkraftexperte an der Technischen Universität von Dänemark meint, dass die oszillierenden Stelen nicht nur weniger Windenergie aufnehmen können, sondern zudem nur einen geringeren Anteil der kinetischen Energie in Strom umwandeln könnten.

Bei konventionellen Windrädern seien es 80 bis 90 Prozent, während Vortex von etwa 70 Prozent ausgeht.