Da stinkt was!

Socken mit Nanosilber sollen Käsefüße verhindern. US-Forscher zeigen nun: In einigen Fabrikaten ist das Material nach wenigen Waschgängen entfernt - und landet als möglicherweise toxische Substanz im Abwasser.

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Von
  • Niels Boeing

Was die roten Socken für die politische Debatte – jedenfalls hierzulande – waren, dürften die Nanosilber-Socken für die Diskussion um die Toxizität von Nanomaterialien werden: ein Witz, der schnell zum Ärgernis wird. Die US-Forscher Paul Westerhoff und Troy Benn von der Arizona State University haben vor einigen Tagen auf einer Konferenz Versuchsergebnisse vorgestellt, die es in sich haben. Das Nanosilber, das in besagten Socken dazu dient, geruchsbildende Bakterien abzutöten, wird in einigen Fabrikaten offenbar fix und gründlich rausgewaschen. So landet es im Abwasser – und könnte etwa in Kläranlagen Bakterien abtöten, die dort eigentlich dringend gebraucht werden.

Brisant ist das nicht nur wegen dieser möglichen bakteriziden Wirkung, sondern weil es auch ein Licht darauf wirft, dass Verfahren zur Einarbeitung von Nanomaterialien nicht alle die gleiche Qualität haben.

Westerhoff und Benn machten zwei einfache Experimente mit sechs verschiedenen Sockenmarken, die nach Herstellerangaben Nanosilber enthalten. Zuerst lösten sie die Textilfasern einzelner Socken in einem Säurebad auf und bestimmten anschließend die Silbermenge, die übrig blieb. So ermittelten sie erst einmal, wieviel Nanosilber in einer Socke drin ist. Dann wuschen sie die passenden (heilen) Socken mehrmals in destilliertem Wasser und maßen anschließend die Menge ausgewaschenen Nanosilbers. Ergebnis: Bei zwei Sockenmarken waren fast 100 Prozent nach vier Waschgängen herausgelöst worden. Zwei weitere Marken behielten hingegen fast ihren gesamten Nanosilberanteil.

Da stellt sich natürlich die Frage: Wie kann das sein?

Dazu muss man zunächst wissen, dass Silber in ionisierter Form seit langer Zeit als antimikrobielles Agens genutzt wird. Kommt es in Kontakt mit Bakterien, verändert es deren Zellstoffwechsel und bestimmte Aminosäuren (wie man hier und hier nachlesen kann). Der Einzeller stirbt schließlich. Üblich war früher, die Silberionen aufzudampfen oder auch in einer Stoffmatrix, die als Beschichtung genutzt wird, einzubinden. Das Problem: Die einzelnen Ionen verbrauchen sich allmählich.

Der Vorteil an Nanosilber, also Partikeln mit Tausenden von Atomen, ist, dass dieser Abnutzungseffekt länger dauert. Werden Silberionen von der Partikeloberfläche abgelöst, entstehen an dieser durch Oxidierung neue Ionen. Die Partikel bilden gewissermaßen ein Reservoir.

Wenn das Silber in einigen Socken nun so schnell und so gründlich ausgewaschen werden kann, gibt es nur zwei Erklärungen: Entweder sind die Silbernanopartikel gar nicht fest in die Textilfasern eingebunden – was sie eigentlich sein sollten. Oder es wurde erst gar kein Nanosilber benutzt, sondern nur Zusatzmaterialien mit vereinzelten Silberionen. Im ersten Fall wäre schlampig gearbeitet, im zweiten das Produkt fälschlicherweise als Nanoprodukt ausgewiesen worden (Ionen alleine sind nun keine Nanoanwendung, sondern eine herkömmlich chemische). Da das Paper von Westerhoff und Benn noch nicht veröffentlicht ist, ist nicht klar, was im Einzelnen gemessen wurde.

Dennoch zeigt das Ergebnis zum einen, dass Qualitätskriterien für die Produktion von Nanomaterialien dringend gebraucht werden (ein Ansatz in diese Richtung ist Gütesiegel von forumnano, über das ich hier im Januar geschrieben habe). Zum anderen, dass einige Hersteller es mit dem Problem einer möglichen Ökotoxizität von Nanomaterialien nicht so genau nehmen.

Im Falle von Nanosilber ist das nicht nur fahrlässig, sonder auch dumm: Spätestens seit es die US-Umweltbehörde EPA Ende 2006 als regulierungspflichtiges Pestizid eingestuft hat, sollte man hier genauer hinschauen. Vorausgegangen war ein Streit um die Auswirkungen von Nanosilber in einem neuen Waschmaschinenmodell von Samsung, das zuvor schon Behörden in Schweden auf den Plan gerufen hatte.

Genaue Erkenntnisse, welches Risiko Silbernanopartikel im Abwasser für Mikroben in Kläranlagen und Gewässern wirklich darstellen, gibt es noch nicht. Die von Friends of the Earth im vergangenen Jahr ausgewertete Literatur legt jedoch nahe, das Material nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Sollte sich der Befund von Westerhoff und Benn bestätigen, ist er geeignet, die öffentliche Stimmung hinsichtlich der Nanotechnik – leider wohl als Ganzes – abzukühlen. Und wenn noch mehr solche Klopper kommen, helfen gegen den Frost am Ende nicht mal mehr gute alte Wollsocken. (wst)