Nano-Tacheles

Der erste Bürgerdialog des NanoCare-Projektes offenbart drei Knackpunkte, die die öffentliche Debatte über die Nanotechnik erschweren: Worüber wird eigentlich geredet, was motiviert die Nanoforschung, und wie kann ein Bürger-Feedback funktionieren?

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Niels Boeing

Am vergangenen Samstag fand in Hamburg der erste Bürgerdialog des vom BMBF geförderten Projektes NanoCare statt (an dem ich als Moderator teilgenommen habe), dem weitere in München und Dresden folgen werden. Grundsätzlich sind diese Veranstaltungen, die sich möglichen Risiken der Nanotechnik widmen, notwendig und sehr begrüßenswert. Denn sie kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die nanotechnische Entwicklung durchaus noch gestaltbar ist. Allerdings hat der Hamburger Dialog drei Knackpunkte offenbart, die die Debatte derzeit erschweren.

Worüber reden wir eigentlich?

Da ist zum einen eine Unschärfe der Begriffe. Sie fängt bei dem unglücklichen Konzept von „der“ Nanotechnologie an. Obwohl seit längerem von Technikfolgenabschätzern und -philosophen angemahnt wird, dass man sinnvollerweise nur von „Nanotechnologien“ in der Mehrzahl sprechen kann (ich selbst bevorzuge den Sammelbegriff Nanotechnik), wird das Gebiet nach wie vor als eine einheitliche Technologie verkauft. Dabei ist ziemlich offensichtlich, dass etwa Rastersondenmikroskope, nanoskalige Medikamentfähren oder kratzfeste Beschichtungen mit eingebetteten Nanopartikeln jeweils sehr verschiedene Technologien sind. Es wäre längst überfällig, diese Unterscheidung auch in der öffentlichen Darstellung zu etablieren.

Kommt die Rede auf die mögliche Toxizität von Nanopartikeln, wird regelmäßig darüber gestritten, ob es sich wirklich um eine neues Phänomen handele. Schließlich entstünden etwa bei Verbrennungsprozessen seit Jahrtausenden solche Kleinstteilchen. Tatsächlich dreht sich die Debatte aber um synthetisierte Nanopartikel, die in der Technikgeschichte bislang so nicht vorgekommen sind. Zudem wird darum gerungen, wann ein „nanostrukturiertes Material“ diese Bezeichnung verdient: nur wenn es auf der atomaren Skala gezielt manipuliert wurde, oder auch, wenn es Ergebnis eines „unordentlichen“ chemischen Prozesses ist?

Auch in Hamburg tauchte diese Diskussion auf. Sie mag notwendig sein, verwirrt den Laien aber erst einmal. So verfestigt sich das Bild, dass sich die Experten nicht einmal untereinander einigen können, worüber sie reden.

Was motiviert die Nanoforschung?

Ebenfalls mit von der Partie war die große Motivationskeule von Wachstum und Innovation, garniert mit dem Verweis auf den 1-Billion-Dollar-Markt im Jahre 2015, den Mike Roco und William Bainbridge in einem US-Report (S.3) 2001 in die Welt gesetzt hatten. Bei dieser Betrachtung wird der beharrliche Verweis auf potenzielle Risiken immer wieder als Bedenkenträgerei kritisiert, mal offener, mal unterschwelliger.

Ein Teilnehmer des Dialogs bemerkte hier zu Recht, dass man fairerweise wohl auch von „potenziellen Chancen“ sprechen sollte. Tatsächlich gelten die Chancen innerhalb der Nanoszene immer als ausgemacht, so als sei es nur eine Frage der Zeit, bis sie realisiert würden. Die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre zeigt aber, dass die komplexen Nanoanwendungen der zweiten Generation (z.B. in Elektronik oder Medizin) nach wie vor mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Die Darstellung „der“ Nanotechnologie als Innovationsprogramm für den globalen Wettbewerb, das über kurz oder lang erfolgreich sein wird, halte ich auch aus einem anderen Grunde für problematisch: Sie weckt bei Bürgern – oder „Verbrauchern“ – längst nicht jene Begeisterung, die man sich erhofft. Auch auf anderen Veranstaltungen ist mir ein gewisser Argwohn aufgefallen, der sich aus Skandalen und Debatten älterer Technologien speist. „Globalisierung“ ist mitnichten eine Motivationsspritze wie Kennedys Mondrede 1961 – sie steht für viele Bürger längst für ein technokratisches, rein profitorientiertes Unterfangen, das über ihre Köpfe hinweg durchgezogen wird.

Die bisherigen Bürgerforen und –dialogprojekte zur Nanotechnik zeigen hingegen zwei Themen, die die Bürger vor allem bewegen und Nanoanwendungen positiv erscheinen lassen: Energie und Gesundheit. Warum also nicht die Nanotechnik problemmotiviert angehen und darstellen?

Wie kann ein Bürger-Feedback wirklich funktionieren?

Von einigen Nanotech-Kritikern werden die Foren und Dialoge als „Akzeptanzbeschaffungsmaßnahmen“ und „Feigenblattveranstaltungen“ abgetan. Diese Sichtweise halte ich allerdings für wenig hilfreich. Die Frage kann nicht „ob“, sondern nur „wie“ lauten.

Das allerdings ist eine schwierige Frage. Die bisherigen Foren sind nicht mehr als Stichproben von Vorbehalten und Wünschen gewesen. Wenn wir wirklich aus den Debatten über Atomkraft oder Gentechnik lernen wollen, sollten wir weiterdenken - "technische Demokratie" wagen. Es wäre an der Zeit, eine Technikfolgenabschätzung mit Web-2.0-Werkzeugen im großen Stil aufzuziehen.

Natürlich könnte man einwenden, dass ein guter Teil der jetzigen Web-2.0-Dienste vor allem auf Exhibitionismus und der Lust am Weißen Rauschen sinnloser Kommunikation aufbauen. Die Wikipedia zeigt aber, dass kollaborative Plattformen Millionen auch zu Sinnvollem motivieren können. Warum nicht ein „mytechnology.org“ starten? Das könnte eine bahnbrechende Innovation sein.

Was mit den Ergebnissen gemacht würde, steht natürlich auf einem anderen Blatt. (wst)