Dunkle Wolken am Nano-Himmel

Die Wirtschaftskrise wird auch an der Nanotechnik nicht spurlos vorüberziehen: 2009 ist nicht nur der Hype vorbei - einige Nanotechnologien könnten gar um einige Jahre zurückgeworfen werden.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Niels Boeing

Ob die gegenwärtige Wirtschaftskrise in eine überschaubare Rezession oder eine globale Depression mündet, darüber sind sich die Auguren derzeit nicht einig. Sicher sind sie nur, dass 2009 kein schönes Jahr wird. Eine spannende Frage ist da: Wird auch die Nanotechnik leiden, für die es bisher bei Fördergeldern und Forschungsinvestitionen immer nur bergauf ging? 2008 markierte den vorläufigen Höhepunkt: Weltweit wurden laut Lux Research 18,2 Milliarden Dollar in Nanotech-Forschung und -Entwicklung gesteckt – rund 46 Prozent von Regierungen, 47 Prozent von der Industrie und knapp 7 Prozent von Wagniskapitalgebern (Venture Capital, VC).

Der notorische Nanotech-Grantler Tim Harper von Cientifica hat nun in einem Whitepaper einen Blick nach vorn geworfen und sieht für die Nanotechnik dunkle Wolken am Himmel aufziehen. Die kann von den Entwicklungszeiten etwa für Webdienste nur träumen: Während Mark Zuckerberg Facebook in einigen Monaten zum Laufen brachte, vergehen bei Nanotechnologien vom Laborprototypen bis zum marktreifen Produkt bis zu fünfzehn Jahre. Harper geht davon aus, dass einige VC-finanzierte Nanotech-Firmen zum Überleben dieses Jahres versucht sein werden, Patentportfolios zu verkaufen. Damit könnten aber Entwicklungsstränge abgeschnitten werden, weil das nötige Knowhow in den Köpfen der Entwickler nicht mitwandere.

Harper schätzt auch, dass der Druck von öffentlichen Geldgebern zunehmen wird, Grundlagenforschung zu Gunsten von marktfähigen Anwendungen hintenan zu stellen. Je teurer die nationalen Rettungspakete für alte Branchen werden, desto enger könnte es gerade für akademische Forschung und Start-ups werden. Harper sieht eine ernste Gefahr, dass viel versprechende Nanotechnologien, etwa in der Nanomedizin, die bislang kaum aus dem Entwicklungsstadium heraus ist, der Krise zum Opfer fallen und nie das Licht des Marktes erblicken werden. Im Bereich der grünen Nanotechnologien rechnet er damit, dass mindestens einer der größeren Hersteller von Nanosolarzellen, die derzeit in den Startlöchern stehen, die Segel streichen wird – dasselbe gelte für einige Hersteller von Nanomaterialien.

Unterstützung bekommt Harper ausgerechnet von den notorischen Nano-Optimisten von Lux Research. In einem kürzlich veröffentlichten Report schreiben die US-Marktforscher, dass die höchsten Margen bei nanotech-basierten Zwischenprodukten (z.B. Batterien oder Katalysatoren) zu erzielen seien: 9 Prozent derzeit und 15 Prozent im Jahre 2015. Reine Nanomaterialien und nanotech-basierte Verbraucherprodukte hingegen könnten nur halb so hohe Margen vorweisen.

Erstaunlicherweise dämpft Lux Research auch die Erwartungen an grüne Nanotechnologien, die es in den vergangenen zwei Jahren kräftig mit geschürt hat. Ihr Anteil am Umsatz des gesamten Nanotech-Marktes werde auch bis 2015 nicht über zwei Prozent hinauskommen – und das, obwohl im letzten Jahr 41 Prozent des gesamten Nanotech-Wagniskapitals in grüne Nanotechnologien gingen (im Wesentlichen in den USA).

Allerdings muss man hier einschränken, dass Lux Research stets vollmundige Prognosen für die Nanomarktentwicklung abgibt: 2015 soll der Weltmarkt ein Volumen von 2,6 Billionen Dollar haben. Dann würden immer noch 57 Milliarden auf grüne Nanotechnologien entfallen. Andere Marktforscher sind da viel vorsichtiger, allen voran BCC Research. In einem Report von Mai 2008 bezifferte auch BCC die Wachstumsaussichten für grüne Nanotechnologien erstaunlich bescheiden.

Für das „alte Europa“ könnte es sich am Ende als Vorteil herausstellen, dass VC-Finanzierungen in Nanotech-Unternehmen im Vergleich zu den USA immer unterentwickelt waren. Laut Venture Capital Magazine belief sich Nano-Wagniskapital in Deutschland 2007 auf 30 bis 40 Millionen Euro. Das sind vielleicht vier, fünf Prozent des Nanotech-Wagniskapitals in den USA.

Ein Gutes könnte das Ende des Nano-Hypes 2009 haben: Wenn sich die technische und kommerzielle Entwicklung verlangsamt, wird wertvolle Zeit die Erforschung von Nanorisiken gewonnen. Vorausgesetzt, die Regierungen streichen diesen Posten bei ihren Fördergeldern nicht ebenfalls zusammen. (wst)