Die Globalisierung der Dummheit

"Zwei Dinge sind unendlich", stellte Albert Einstein gelegentlich fest, "das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher". An Flüche per Mobilkommunikation dürfte er dabei aber nicht gedacht haben.

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Von
  • Peter Glaser

"Zwei Dinge sind unendlich", stellte Albert Einstein gelegentlich fest, "das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher". Eine empirische Studie zu diesem Thema konnte man vor ein paar Tagen beginnen, als ein Bericht in der ägyptischen Tageszeitung "Egyptian Gazette" erschien, demzufolge ein Mann aus Malawi im Süden von Kairo angeblich einem Gehirnschlag erlegen war, nachdem er eine mysteriöse SMS erhalten hatte. Die fatale Nachricht soll aus einer Kombination von Zahlen und einem Plus-Symbol bestehen und mit der Zahlenfolge 111 enden. Die Geschichte erinnert an Gore Verbinskis Film "Ring" von 2002, in dem es um ein tödliches Videotape geht. Jeder, der das Band sieht, erhält danach einen Anruf mit der Ankündigung, er habe nur noch sieben Tage zu leben. (Der Streifen war wiederum ein US-Remake des sehr erfolgreichen japanischen Horrorfilmes "Ringu" von 1998).

In Ägypten haben die Gerüchte über die tödliche SMS inzwischen ein Ausmaß angenommen, welches die Behörden zum Einschreiten veranlasste. Das Gesundheitsministerium gab offiziell bekannt, dass von dem angeblichen Todesfall nichts bekannt sei und die Gerüchte jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Der Nachrichtenagentur MENA zufolge wurden drei Arbeiter einer Ölfirma festgenommen. Sie werden beschuldigt, das Gerücht in die Welt gesetzt zu haben. Ein ähnliches Gerücht über tödliche Zahlen per SMS hatte sich schon im Jahr 2007 in Ägypten ausgebreitet, war aber nach kurzer Zeit als Hoax versandet und hatte keine offiziellen Stellungnahmen nach sich gezogen.

Im Mai letzten Jahres kursierte das Gerücht über tödliche SMS und den "Roten Ring" (gleichfalls mit Bezugnahme auf obigen Film) in Indonesien. Dem Blog "FutureIndonesia" zufolge wurden fünf Menschen in der Stadt Bungo in der Provinz Jambi durch das Gerücht in Mitleidenschaft gezogen. Sie hätten eine rot gefärbte SMS und sternchenübersäte Bilder empfangen und seien darüber so erschrocken, dass sie die Besinnung verloren hätten. Die Geschichte besteht aus einem Cocktail aus Infrarotstrahlung, angeblichen satanischen Zahlen wie 0866 und 0666 nebst einer modernisierten Version schwarzmagischer Fernwirkung per Mobilkommunikation.

Im April 2007 verursachte ein tödliches Virus, das angeblich durch Mobiltelefone übertragen wird, Panik in Pakistan und Afghanistan. Mobiltelefon-Besitzer erhielten eine SMS mit dem Hinweis, sie würden durch ihr Handy mit einem tödliches Erreger verseucht, gefolgt von dem Hinweis, er habe bereits 20 Menschenleben gefordert: "Eine Art Röntgenstrahlung oder ein Virus wird frei, wenn Du einen Anruf von einer 12-stelligen Nummer erhältst, die 0099 enthält. Er überträgt ein Virus, das dein Gehirn schädigt und zum Tod führt. Das ist kein Witz." Reuters berichtete über Anrufe verängstigter Mobiltelefonbenutzer im Kundencenter des pakistanischen Mobilfunk-Providers Warid Telecom.

Kaum etwas scheint dringender nötig, als das Projekt der Aufklärung mit aller Kraft fortzuführen. Aufklärung ist die Quelle, aus der das frische, authentische Wissen kommt. Information wird die Welt retten, so lautete die Vision der neunziger Jahre, das Wissen der Menschheit liege vor uns im Zugriff. Wo stehen wir heute? Noch sind nicht ganz so viele Menschen wie im Mittelalter wieder davon überzeugt, dass sich die Sonne um die Erde dreht, aber es wird daran gearbeitet. Die Globalisierung der Dummheit macht erstaunliche Fortschritte. (wst)