Betrug in Dosen

Vom Versuch, in einem Supermarkt vier leere Becks-Dosen zurückzugeben – und was man am Ende über die Wirklichkeit des deutschen Dosenpfands lernt.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Niels Boeing

Mit der ökologischen Korrektheit ist es manchmal eine schwierige Sache. Vergangene Woche waren vier Dosen Becks-Bier, die ein Freund mitgebracht hatte, leer bei mir zurückgeblieben. Mit anderen leeren Flaschen trug ich sie zum Supermarkt um die Ecke und schob sie in den Rücknahmeautomaten. Zwei Dosen schluckte er anstandslos, zwei spuckte er wieder aus. Ganz naiv dachte ich, Becks-Dose ist Becks-Dose, und fragte eine Verkäuferin, was das Problem sei. Nein, die beiden Dosen haben kein Pfandsymbol, sagte sie, die nehmen wir nicht. Pfandsymbol für Dosen? Noch nie gehört.

Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass die beiden Becks-Dosen für Polen produziert worden waren. Die Verkäuferin hatte leider recht: Läden müssen nur Dosen zurücknehmen, die das Symbol der Deutschen Pfandsystem GmbH tragen. Das fehlte hier (lustigerweise prangte aber ein Grüner Punkt auf den Dosen). Dosen ohne Symbol – etwa für den Export – fallen aus dem System heraus.

Ich rief meinen Freund an, wo er die Dosen gekauft habe. Im Büdchen unten im Haus, sagte er. Also ging ich zu dem Kiosk in der Nähe der Reeperbahn und fragte den Betreiber, wo er die Dosen herhätte. Das seien keine Pfanddosen. Nein, sagte er, das stimmt, aber wir bekommen die manchmal auf Paletten angeliefert. Ob er wisse, wer die liefere? Daran könne er sich leider nicht erinnern. Das hatte ich mir fast gedacht.

Bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) erfuhr ich dann, dass es sich hier mitnichten um Irrläufer handelt. Offenbar hat sich seit Einführung des einheitlichen Pfandsystems für Einweggetränkeverpackungen 2006 ein schwunghafter Handel mit pfandfreien Dosen entwickelt. Die DUH beobachtet das Geschehen nach eigenen Angaben schon länger. In vielen deutschen Imbissbuden, Kiosken und Tankstellenshops seien Exportdosen im Regal ganz normal, und so manche schlägt die 25 Cent Pfand trotzdem drauf. Wer achtet schon auf das DPG-Symbol – wenn er es überhaupt kennt?

Die spannende Frage ist nun, wie die Dosen in diese Läden kommen. Coca-Cola zum Beispiel darf hierzulande pfandfreie Dosen für Militärbasen und Kreuzfahrtschiffe produzieren. Auf dem Weg dahin fielen sie in der Vergangenheit immer wieder mal vom Laster. Coca-Cola konnte sich das Phänomen auch nicht erklären können, als die DUH den Getränkekonzern darauf ansprach.

Die umgekehrte Variante gibt es auch: Der Online-Händler AmericanFood4U etwa nahm für Getränkedosen mit US-Bier oder solchen Seltsamkeiten wie Root Beer bis vor kurzem von seinen Kunden Dosenpfand, vergaß aber, die DPG-Symbole aufzukleben. Die Kunden konnten ihre Dosen folglich nirgendwo loswerden. Einzige Möglichkeit war, sie in einen Karton zu packen und an AmericanFood4U zurückzuschicken – das Porto mussten die Kunden allerdings selbst bezahlen. Seit die DUH eine Unterlassungserklärung schickte, werden die DPG-Symbole aufgeklebt.

Das sind nur zwei Beispiele, die die DUH bislang recherchiert hat. Das Hauptproblem sind offenbar Zwischenhändler, die die Exportdosen deutscher Abfüller abzweigen. Wie gut diese im Bilde darüber sind und wer wieviel an dem Ganzen verdient, kann man nur spekulieren.

Gegner des Dosenpfands werden sich bei diesem Unfug natürlich bestätigt fühlen. Dabei ist das Konzept ökologisch sinnvoll: Aluminium aus Dosen zu recyclen spart 90 Prozent der Energie, die bei der Primärproduktion von Aluminium anfallen. Und selbst im Falle eines kompletten Recyclings einer Altdose zu einer Neudose wäre der Energieaufwand für die Befüllung einer Getränkedose immer noch zehnmal höher als der für eine Mehrweg-Glasflasche. Wie das Bundesumweltministerium im Oktober 2008 mitteilte, hat das Dosenpfand zumindest bei Bier gewirkt: Der Mehrweganteil ist seit der ersten Einführung 2003 (damals noch mit Insellösungen) bis 2006 um 19 Prozentpunkte auf 87 Prozent gestiegen.

Ich frage mich allerdings, warum man sich für die Lösung mit dem Pfandsymbol entschieden hat. Wäre es nicht besser gewesen, eine allgemeine 25-Cent-Aluminium-Steuer auf Dosen – egal ob importiert oder hier produziert – einzuführen und dann überall Rücknahmeautomaten aufzustellen, die die 25 Cent wieder ausspucken? Das ökologische Ziel hätte man damit wohl auch erreicht.

So aber werden die Verbraucher durch die Ausnahmeregelegen beim Pfandsystem nicht nur von einigen Geschäftemachern übers Ohr gehauen, sondern schmeißen die pfandfreien Dosen am Ende genervt in den Hausmüll. Da ist schließlich auch meine Export-Becks-Dose gelandet. So ist das manchmal mit der ökologischen Korrektheit.

Wer es genauer wissen will: Antworten der DUH auf die wichtigsten "Fragen rund ums Dosenpfand". (wst)