Zeitungs-Abtipper gegen Internet-Ausdrucker

Bedauerlicherweise findet der Diskurs über die Zukunft des Internet zwar gerade statt, aber zum großen Teil eben nicht im Internet, sondern in den Kreisen und Medien der "Internet-Ausdrucker". Also haben die in der Regel einen Informationsvorsprung.

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Für alle die, den Ausdruck noch nicht so verinnerlicht haben: "Internet-Ausdrucker" ist das Synonym für eine Politikergeneration, die von moderner Kommunikationstechnik keine Ahnung hat, diese aber regulieren will. Das Wort wird gerne von politisierten Hackern und Cyber-Bürgerrechtlern verwendet, die sich damit gegenseitig versichern, dass sie im Unterschied zu den machtgeilen alten Säcken den vollen Durchblick haben.

Gerade im Lager der Überwachungsgegner haben wir es jedoch mit Menschen zu tun, die man mit einiger Berechtigung als "Zeitungs-Eintipper" bezeichnen könnte: Leute, die die Print-Ausgaben der "Holzmedien" für derart überholt halten, dass sie sie schlichtweg ignorieren. Irgendwann, meist Tage nach dem der betreffende Artikel erschienen ist, findet sich eine freundliche Seele, die die betreffende Passage abtippt oder einscannt – und ins Internet stellt: Eine Prozedur, die mit Medienbruch nur unzureichend beschrieben ist und mich eher mittelalterliche Schreibstuben assoziieren lässt als Kommunikation im 21. Jahrhundert.

Bedauerlicherweise findet jedoch der Diskurs über die Zukunft des Internet zwar statt, aber zum großen Teil eben nicht im Internet, sondern in den Kreisen und Medien der "Internet-Ausdrucker". Also haben die in der Regel einen Informationsvorsprung. Außerdem sind die gewohnt, Politik zu machen. Im Moment wird uns also die glückliche Utopie einer freien und ungeregelten Kommunikation im Netz aller Orten schneller in Fetzen gerissen, als wir hinschauen können. Und was macht das Internet-Volk? Die Geeks, Hacker, Nerds, Netizens, die digitalen Siedler der ersten Stunde? Hier mal eine kleine Kundgebung, und da mal eine Online-Petition. Gemessen an der Bedrohung, die angeblich für unser aller Freiheit im Raum steht, ist das lächerlich. Die drohende Internet-Sperre in Deutschland wird nun mit dem zentralen Argument bekämpft, es sei ja viel effizienter Kinderpornos gleich zu löschen, statt sie halbherzig zu sperren.

Für alle halbwegs intelligenten Überwachungstechnokraten ist dieser Diskurs eine Art Crashkurs in Sachen Internet-Kontrolle. Tja, Kinder – das ist Politik. So greift man den Sachverstand seiner Kritiker ab, und lässt sie argumentativ ins Leere laufen. Kann ja sein, dass John Barlow mit seiner Internet-Unabhängigkeitserklärung damals dem naiven Größenwahn verfallen war. Aber der Mann hat wenigstens noch halbwegs politisch gedacht. Ach ja, da war ja noch was mit Politik: Die Piratenpartei ist im Europa-Parlament. Mal sehen, wie lange die das durchhalten, bevor sie von der Lobby geentert und den Kommissaren geteert und gefedert werden – die "Bunte Kuh" ist ja auch aus Flandern gekommen. (wst)