Kann es grünes Wachstum geben?

Bislang sieht es nicht so aus: Der Anteil der Stromerzeugung an den gesamten CO2-Emissionen nimmt zu, obwohl Erneuerbare Energien und modernere Kraftwerke das Strommix immer sauberer machen. Wir verbrauchen zu viel Strom.

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Von
  • Niels Boeing

Der Streit über ein saubereres Energiesystem der Zukunft, das weniger CO2 freisetzt, ist eine unendliche Geschichte. Die Energiewirtschaft fordert gerade wieder einmal, unterstützt von der Kanzlerin, längere Laufzeiten für AKWs. Andere wollen nun die Solarenergie mit dem in meinen Augen irrwitzigen Saharastrom-Konzept "Desertec" endlich in den Rang einer Megatechnologie erheben. Und alle wollen natürlich weiterhin Wirtschaftswachstum.

Vor diesem Hintergrund sind einige Zahlen interessant, die das Umweltbundesamt kürzlich veröffentlicht hat. Zwar sinken die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde des deutschen Strommixes seit 1990 (dem Basisjahr für die angepeilten CO2-Reduktionen gemäß Kioto-Protokoll). Das Strommix bildet einen Durchschnittswert über alle Arten der Energieerzeugung. Aber in absoluten Zahlen haben die CO2-Emissionen der Stromerzeugung 2007 wieder den Stand von 1990 erreicht, weil der Stromverbrauch gestiegen ist.

1990 wurden im Strommix pro Kilowattstunde 726 Gramm CO2 ausgestoßen. 2006 waren es dann nur noch 590 Gramm, aber 2007 stieg der Wert nach der derzeitigen Datenlage wieder auf 624 Gramm an – wobei zu erwarten ist, dass er am Ende wie in den vergangenen Jahren wieder nach unten korrigiert wird.

Die gesamten CO2-Emissionen der Stromerzeugung betrugen 1990 349 Millionen Tonnen. 1999 erreichten sie mit 309 Millionen Tonnen ihren bislang tiefsten Stand (das Umweltbundesamt führt dies in einem älteren Bericht auf Modernisierungen bei Gas- und Kohlekraftwerken zurück). Seitdem sind sie wieder auf das Niveau des Wiedervereinigungsjahres gestiegen, auch weil neue fossile Kraftwerke hinzukamen.

Der Nettostromverbrauch (das ist die Bruttostromerzeugung ohne Kraftwerkseigenverbrauch, Pumpstrom und Leitungsverluste) stieg von 480 Terawattstunden 1990 auf 560 Terawattstunden 2007. Das ist eine Zunahme von 16,7 Prozent.

Erfreulich daran ist, dass der wachsende Anteil der Erneuerbaren Energien die CO2-Emissionen des Strommixes inzwischen sichtbar drückt – aber eben nur die relativen, nicht die absoluten Zahlen. Und dass, obwohl ihr Anteil an der Bruttostromerzeugung sich allein seit 1998 fast verdreifacht hat (damals: 4,8 Prozent, 2007: 14,2 Prozent).

Zwar sind die gesamten deutschen CO2-Emissionen seit 1990 um knapp 19 Prozent gefallen: Von 1036 Millionen Tonnen auf 841 Millionen Tonnen 2007. Aber der Anteil der Stromerzeugung ist kräftig gestiegen: von damals 33,6 Prozent auf 41,5 Prozent 2007. Während also die Emissionen von Industrie, Haushalten, Verkehr und Kleingewerbe abnehmen, schmilzt der CO2-Sockel der Energiewirtschaft nicht ab. Wir haben also in der Tat ein Energieproblem.

Wundern muss das niemanden. Der Stromverbrauch steigt zwar nicht im selben Maße wie das Bruttoinlandsprodukt. Das Stromverbrauchswachstum war mit 16,7 Prozent zwischen 1990 und 2007 nur halb so hoch wie das Wirtschaftswachstum: Das reale Bruttoinlandsprodukt wuchs im selben Zeitraum um 32,4 Prozent. Aber von einer Entkopplung kann da noch keine Rede sein, obwohl der Boom der Erneuerbaren Energien beeindruckend ist und auch der Wirkungsgrad von Gaskraftwerken heute um ein Drittel höher ist als 1990 – und obwohl die jährlichen Wachstumraten der deutschen Wirtschaft in den vergangenen 15 Jahren keinen Ökonomen vom Hocker gehauen haben (zwischen -0,8 und +3,2 Prozent).

Für mich zeigt das: Selbst ein im internationalen Vergleich moderates Wachstum kann immer noch Einsparungen durch eine Modernisierung im Energiesektor zunichte machen oder überkompensieren. Die Brötchen, die bislang gebacken wurden, waren zu klein. Der technische Fortschritt allein genügt nicht, um auf einen wirklich nachhaltigen Weg zu kommen. Wir müssen endlich auch ernst machen mit dem Stromsparen. (wst)