Elemente der Hoffnung

Wenn nicht nur Öl, sondern auch seltene Metalle knapp werden, müssen wir noch radikaler umdenken. Hin zu einer Kohlenstoff-Silizium-Leichtmetall-Technik.

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Von
  • Niels Boeing

Vor zwei Wochen trafen sich in Italien ein paar Dutzend kritische Wissenschaftler zum "Peak Summit", ausgerichtet von der Association for the Study of Peak Oil. Wie der österreichische Umweltökonom Michael Cerveny berichtet, ging es aber nicht nur um die Frage, wie lange das Erdöl noch reicht, sondern auch um die Reserven seltener Metalle.

Für den niederländischen Ingenieur Andre Diederen, der sich in der militärischen Forschung seit längerem mit diesem Thema beschäftigt, ist die Lage hier ähnlich düster wie beim Öl. Seine Schlussfolgerung, laut Cerveny: „Forget large scale conversion towards renewable energies!“ und „Forget large scale electrification of transport!“ Denn beide Bereiche sind maßgeblich auf seltene Metalle angewiesen.

Diederen hat seine Einschätzung im Blog The Oil Drum bereits im März mit einigen unangenehmen Zahlen untermauert. Nach derzeitigem Wissen liegt die Reichweite bei einem jährlichen zweiprozentigen Verbrauchswachstum für 24 Metalle bei 11 bis 48 Jahren (darunter sind auch Silber, Gold, Zink, Indium, Kupfer, Nickel und Eisen). Ein konsequenteres Recycling würde für Diederen das Problem nur hinausschieben.

Interessant sind aber die "Elemente der Hoffnung", die er am Ende seines Beitrags herausstellt: Es handelt sich im Wesentlichen um die Elemente, auf denen irdisches Leben aufbaut. Seit dreieinhalb Milliarden operiert es erfolgreich, ohne seine Rohstoffbasis zu gefährden.

In diesem Zusammenhang finde ich es bemerkenswert, dass dank Materialforschung, Bio- und Nanotechnik zunehmend Kohlenstoff-haltige Verbindungen für Hightech-Anwendungen genutzt werden können. Lange als "böses" Plastik verschrien, haben sich Kunststoffe zu Hochleistungswerkstoffen entwickelt. Noch vor zwanzig Jahren hätte niemand geglaubt, dass eine organische Elektronik möglich ist (auch wenn die deutlich langsamer als herkömmliche Elektronik ist). Und sogar organische Solarzellen funktionieren, allerdings mit bescheidenem Wirkungsgrad (um die sechs Prozent).

Die Synthetische Biologie wiederum entdeckt gerade ständig neue Wege, um aus Einzellern winzige Bioreaktoren zu machen. Die können so unterschiedliche Stoffe wie Kunstfasern oder Kraftstoffe produzieren, aber auch als Sensoren dienen.

Das ebenfalls reichlich vorhandene Silizium schließlich ist nicht nur die Grundlage der heutigen Photovoltaik (und natürlich auch der Informationstechnik). Es gibt auch Ansätze, es für die photoelektrische Gewinnung von Wasserstoff aus Wasser zu verwenden. In Form von Silanen ist es ein wichtiger Bestandteil vieler Beschichtungen mit Spezialeigenschaften.

Das bringt mich zu der Frage, ob die heute als radikal geltenden Ansätze für eine IT-basierte grüne Technik noch zu sehr in der Gegenwart verhaftet sind. Vielleicht müssen wir uns zu einer konsequenten, "schlanken" Kohlenstoff-Silizium-Leichtmetall-Technik hin bewegen. Den Teilen der Umweltbewegung, die der Vision einer agrarischen Morgenthau-2.0-Ökonomie anhängen, mag auch bei dieser Vorstellung grausen.

Angesichts aller Prognosen zu Bevölkerungswachstum und Verstädterung glaube ich jedoch nicht, dass wir überhaupt die Option haben, mit weniger Technik zu leben. Aber es wird eine radikal andere Technik nötig sein, gegen die sich selbst die jetzige Zeit noch als grobschlächtig ausnehmen wird.

Anhang
Zu den "Elementen der Hoffnung" zählt Andre Diederen: Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor, Schwefel, Chlor; Natrium, Magnesium, Aluminium, Silizium, Kalium, Kalzium, Eisen.
(wst)